Julia Extra Band 0325
gut ausgesehen. Die Arbeit, die du geleistet hast, das alles, dein Vater wäre so stolz auf dich.“
Javier konnte sich kein Kompliment vorstellen, dass Maria oder ihm mehr bedeuten würde – falls er ihr glauben konnte. „Meinst du?“, fragte er. Die beiläufige Frage konnte seine Zweifel nicht überspielen.
„Natürlich.“ Sie drehte sich zu ihm um. „Warum glaubst du, er wäre es nicht?“
Nach zehn Jahren Schweigen blieben ihm die Worte fast im Hals stecken, vor lauter Schuldgefühlen und Reue. Schließlich fing er trotzdem an zu sprechen. „Wir haben uns doch gestritten. Unmittelbar bevor er krank geworden ist. An dem Abend, an dem ich euch erzählt habe, dass ich Stephanie einen Heiratsantrag gemacht habe. Er hat gesagt, dass ich nicht das Zeug zu einem guten Ehemann hätte. Dass ich in meinem ganzen Leben noch nichts zu Ende gebracht habe. Und dass ich der Erste bin, der die Segel streicht, wenn es schwierig wird.“
„Oh, mijo. “ Trauer und Mitleid traten in Marias Augen, als sie mit einer faltigen Hand über eine Stuhllehne strich. „Man sollte meinen, dass ein Mann, der so etwas geschnitzt hat, Geduld gehabt hätte. Aber … Er war ein Perfektionist. Er hat an jedem Stück herumgeschnitzt, bis es genau seiner Vorstellung entsprochen hat. Das funktioniert vielleicht mit Holz. Mit Menschen ist das nicht so einfach.“
Seine Mutter schüttelte den Kopf. „Wir haben uns Sorgen um dich gemacht. Und ihr wart beide zu jung zum Heiraten. Aber das war damals. Es tut mir leid, dass dein Papa dich heute nicht sehen kann. Er wäre stolz auf dich. Und er würde sich meinetwegen furchtbar schämen. Darum musste ich gestern Abend hier weg.“
„Er würde sich niemals deinetwegen schämen“, widersprach Javier.
„Ich hätte zuhören sollen, als du mich gebeten hast, das Restaurant zu renovieren. Ich hätte sehen sollen, dass du nicht mehr mein kleiner Junge bist. Aber ich habe einfach immer noch meinen chico pequeño in dir gesehen . Aber das hier …“ Maria schwenkte die Hand. „Die harte Arbeit, die du geleistet hast, die Zeit, die du investiert hast, das alles hat mir keine Wahl gelassen, als den Mann zu sehen, der du jetzt bist.“
Wie vor den Kopf geschlagen wurde Javier auf einmal klar, was er falsch gemacht hatte. „Das ist nicht deine Schuld. Ich hätte merken müssen, dass mehr als Worte nötig sind, um zu beweisen, dass ich mich geändert habe.“
Und genau den gleichen Fehler hatte er bei Emily gemacht. Er hatte all seine kühnen Pläne ausgebreitet, sich aber nicht die Mühe, sie zu fragen. Er hatte ihre so bitter erkämpfte Unabhängigkeit weggewischt, als ob sie nichts bedeutete.
„Aber ich hätte dich trotzdem das Restaurant renovieren lassen sollen“, beharrte Maria. Sie hob tapfer das Kinn und sagte: „Es ist noch nicht zu spät, mijo. Wir können immer noch renovieren und das Lokal so gestalten, wie du es dir vorstellst.“
Zum ersten Mal seit Jahren konnte Javier die Gegenwart seines Vaters spüren und nicht nur den Schatten der letzten Worte, die sie miteinander gesprochen hatten. Er hörte die Stimme seines Vaters im Echo des Gelächters und der Musik der vorigen Nacht. Erkannte die starken, von harter Arbeit rauen Hände in den akribischen Details der handgeschnitzten Möbelstücke. Sah seine Liebe zu dem Restaurant, das Maria in seinem Gedächtnis erhalten hatte. Und Javier verstand, warum seine Mutter es nicht ertragen konnte, irgendwas zu ändern. „Nein, Mama. Das wäre auch nicht richtig.“ Er holte tief Luft, um ihr von der Idee zu berichten, über die er lange Zeit nicht einmal ernsthaft hatte nachdenken wollen. Von der er Emily noch nicht erzählt hatte. „Ich möchte ein eigenes Restaurant eröffnen. Noch ein Delgado’s. Mit der Art Bar und Terrasse, die ich mir immer vorgestellt habe.“ Als er sah, wie seine Mutter große Augen machte, fügte er hinzu: „Nicht hier in der Gegend. Irgendwo anders in der Stadt.“
„Oh, Javier. Davon hat dein Papa immer geträumt. Darum war es so schwierig für ihn zu hören, dass du wegziehen wolltest. Aber ich, ich war so egoistisch. Ich wollte dich hier behalten. Und nach Miguels Tod habe ich dich hier gebraucht. Aber jetzt wird es Zeit für dich, erwachsen zu werden. Zeit, dich dem Mädchen zu beweisen, das du liebst.“
Javier wich überrascht zurück. „Woher weißt du das?“
„Eine Mutter weiß das immer. Ich habe nicht geglaubt, dass Emily die Richtige für dich ist. Ich habe gedacht, sie ist zu sehr wie
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