Julia Extra Band 0327
Sinn – und eine heiße Welle der Lust durchströmte ihren Körper. Wenn sie ihm doch bloß nie so nahe gekommen wäre! Damals, im Aufzug … Lucy versuchte die Erinnerung daran zu verdrängen. Jetzt wollte sie die Bilder nicht wieder vor sich sehen.
Doch zu ihrem Kummer gelang es Lucy nicht, ihre Gefühle zu beherrschen. Wie auch?
Aristoteles fuhr sich mit der Hand durch sein pechschwarzes Haar, während er sie weiterhin anstarrte. Sein Gesicht sah aus, wie aus Stein gemeißelt. Das Kinn wirkte hart und kantig und stand in krassem Gegensatz zu seinen sinnlichen, vollen Lippen. Und Aristoteles’ Augen hatten einen warmen Glanz, während die dunklen Augenbrauen Lucy geradezu Angst einflößend vorkamen.
„Lucy“, stieß er hervor, und das Missfallen über den Streit von eben lag immer noch auf seinem Gesicht, „komm mal bitte. Sofort .“
Augenblicklich kehrte Lucy auf den Boden der Tatsachen zurück. Was machte sie hier eigentlich? Von ihrem Chef träumen? Während er wütend neben ihr stand? Sie fühlte sich ertappt. Unsicher stand sie auf und ging auf ihn zu. Und als wäre ihr die Angelegenheit nicht schon peinlich genug gewesen, fielen ihr auch noch der Schreibblock und der Stift aus der Hand, die sie noch schnell vom Schreibtisch mitgenommen hatte. Ungeschickt bückte sie sich danach, als ihr auffiel, dass ihr Rock sowohl zu eng, als auch zu kurz für dieses Unterfangen war. Lucy hatte ihn neulich zu heiß gewaschen und war noch nicht dazu gekommen, sich einen neuen dunkelblauen Rock zu kaufen. Wie unangenehm! Die Röte stieg ihr ins Gesicht.
Wenn Aristoteles merkte, dass sie etwas für ihn empfand, dann würde er sie schneller entlassen, als sie bis drei zählen konnte, da war sich Lucy sicher. Genauso hatte er es jedenfalls mit ihren beiden Vorgängerinnen gemacht.
Vor zwei Monaten war alles dann ganz schnell gegangen. Aristoteles hatte von einem Tag auf den anderen Ersatz für seine bisherige Sekretärin gebraucht. Und da sein Unternehmen in geheimen Fusionsverhandlungen mit einer anderen Firma stand, war es nicht infrage gekommen, jemanden von außerhalb des Konzerns einzustellen.
Wie durch ein Wunder war ausgerechnet an dem Tag auch noch Aristoteles’ Rechtsberater in den Ruhestand gegangen, und so durfte Lucy ihre neue Stelle innerhalb von 24 Stunden antreten. Der Job war eine echte Herausforderung für sie gewesen. Eine ganz große Sache und eine Möglichkeit, von der sie nie zu träumen gewagt hätte. Sie war jetzt selbst verantwortlich für fünf Juniorassistenten und Mitarbeiter in New York und Athen.
Während Lucy sich wieder aufrichtete, rasten ihr diese Gedanken durch den Kopf. Verwirrt schob sie ihre Brille wieder höher auf die Nase und fuhr sich rasch mit dem Handrücken über die glühenden Wangen. Aristoteles trat zur Seite, um Lucy den Vortritt in sein Büro zu lassen. Verwundert sah er sie an und stellte genau die Frage, über die auch Lucy sich den Kopf zerbrach: „Was ist denn heute los mit dir?“
Lucy schämte sich für ihre Unsicherheit. Sie war keinen Deut besser als all die jungen Mitarbeiterinnen, die sich in den Teeküchen der einzelnen Flure hier im eleganten Londoner Haupthaus versammelten und kichernd über Aristoteles’ Liebesleben und seinen mutmaßlichen Reichtum tratschten.
„Nichts“, stammelte Lucy. Als sie hörte, wie Aristoteles die Tür hinter ihnen beiden schloss und ihr zu seinem mächtigen Schreibtisch folgte, da schloss sie für einen kurzen Moment die Augen und bemühte sich tief durchzuatmen. Lucy hätte sich ohrfeigen können. Diese Stelle war ihr so wichtig; mehr als die berufliche Herausforderung lag ihr daran, dass sie nun endlich ihre Mutter finanziell unterstützen konnte.
Auf keinen Fall durfte sie das aufs Spiel setzen und sich vollends zur Idiotin machen – mochte ihr Chef auch noch so attraktiv sein. Insgeheim belächelte sich Lucy für ihre Schwärmerei. Sie wollte nicht einmal, dass ein Mann wie Aristoteles sich für sie interessierte! Deshalb musste sie unbedingt lernen, ihre Gedanken zu beherrschen. Denn sie machten ihr das Leben schwer und ließen längst vergessene Erinnerungen an ihre eigene Kindheit wach werden.
So schwer konnte das doch gar nicht sein. Zumindest nicht nach der kleinen Szene, die Lucy soeben mitbekommen hatte. Es war ganz offensichtlich, dass Aristoteles Levakis auf große, schlanke, atemberaubend schöne Frauen stand, die nebenbei auch noch aus gutem Hause stammten und über ein hohes gesellschaftliches
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