Julia Extra Band 0327
überhaupt nicht mehr an ihre Begegnung im Aufzug erinnern. Und Aristoteles musste diese Szene auch endlich aus seinem Gedächtnis streichen. Doch wie sie nun vor ihm saß, mit ins Gesicht fallendem Haar, die Füße unter ihrem Stuhl verschränkt und in diesem knappen Rock, da überkam Aristoteles eine wilde Lust, derer er nur schwer Herr werden konnte.
Das Objekt seine Begierde blickte auf und sah ihm geradewegs in die Augen. Lucys fragender Blick verriet, dass sie gerne gewusst hätte, warum er nicht zu diktieren begann. Aristoteles wurde plötzlich wütend auf sich selbst. Er war es nicht gewohnt, anlässlich einer pikanten Situation sprachlos zu sein. Doch sein Blick in Lucys Augen ließ ihn sofort wieder ruhiger werden: Sie hatte die absolut schönsten Augen, die er jemals gesehen hatte. Schiefergrau, mit blauem Rand und umgeben von unglaublich langen, schwarzen Wimpern. Als wolle sie etwas sagen, öffnete Lucy den Mund, und Aristoteles bemerkte die Lücke zwischen ihren Schneidezähnen. Sie betonte Lucys unschuldiges Äußeres, strahlte aber auch eine gewaltige Erotik aus. Und da war es um ihn geschehen. Plötzlich ertappte Aristoteles sich bei einem Tagtraum, in dem Lucys sinnlicher Mund die Hauptrolle spielte und ihn in ungeahnte Höhen der Lust entführte …
Verwirrt betrachtete Lucy ihren Chef. Gerade erst hatte sich ihr Puls normalisiert gehabt. Doch Aristoteles’ intensiver Blick ließ ihren Herzschlag im Nu wieder beschleunigen, und auch die Röte und Hitze kehrten auf Lucys Gesicht zurück. Warum nur starrte der Mann sie dermaßen ungeniert an?
„Sir?“, fragte Lucy vorsichtig, dankbar, dass ihre Stimme fest und selbstsicher klang.
Aristoteles fixierte sie noch ein oder zwei Sekunden, dann wandte er seinen Blick endlich von ihr ab. „Die förmliche Anrede ist unnötig.“ Was war nur in ihn gefahren? „Ähm, meine persönlichen Assistentinnen nennen mich immer beim Vornamen, das ist irgendwie einfacher …“, suchte er nach einer Erklärung.
Aristoteles’ Stimme klang rau. Vermutlich noch wegen des Streits mit Augustine Archer. Doch unabhängig davon verspürte Lucy ein Kribbeln in der Magengegend. Sie war sich sicher, dass nur Aristoteles’ engste Mitarbeiter ihn beim Vornamen nennen durften, und dass sie dies als eine besondere Ehre betrachteten. Die blonde Frau, die vor wenigen Minuten aus dem Büro gestürmt war, hatte Aristoteles sogar immer Ari genannt, aber sie war ja auch seine Geliebte gewesen. Die Vorstellung, dass sie, Lucy, ihren attraktiven Chef künftig mit Vornamen ansprechen durfte, ließ sie erschauern.
„In Ordnung“, gelang es ihr schließlich zu antworten.
Aristoteles nahm endlich hinter seinem Schreibtisch Platz und begann mit einer derartigen Geschwindigkeit zu diktieren, dass Lucy fast schwindlig wurde. Eigentlich war sie über diese Ablenkung sehr froh, doch als Aristoteles fertig war, merkte sie, dass sich ihr Nacken verspannt hatte und dass ihr Kopf schmerzte.
Er machte eine Geste, die besagen sollte, dass er sie fürs Erste nicht mehr brauchte, und begann, sich mit einigen wichtig aussehenden Papieren zu beschäftigen. Lucy erhob sich und wandte sich zum Gehen. Als sie gerade die Tür erreicht hatte, sah Aristoteles von seiner Arbeit auf. „Ach, und bitte, kümmern Sie sich darum, dass Augustine Archer etwas zugestellt wird … etwas …“
Lucy fuhr herum, und als sie den Spott auf Aristoteles’ Gesicht bemerkte, hielt sie erschrocken die Luft an.
„… Angemessenes.“
Völlig verblüfft starrte Lucy ihren Chef einen Moment lang an. Ein Geschenk für seine Ex-Geliebte als eine Art Abfindung zu besorgen, so etwas hatte noch kein Vorgesetzter von ihr verlangt.
Und als könnte Aristoteles ihre Gedanken lesen, fuhr er fort: „Ja, du hast mich schon richtig verstanden. Ist egal, was du ihr schickst. Hauptsache es ist teuer. Und bloß keinen Ring! Bitte lege eine kurze Nachricht bei. Ich schicke dir gleich ihre Adresse per E-Mail rüber.“
Lucy umklammerte den kühlen Türgriff. Sie verstand nicht, warum sie plötzlich so enttäuscht von Aristoteles war. Jeder, der über einen Funken Verstand verfügte, würde erwarten, dass dies genau Aristoteles’ Vorgehensweise war. So und nicht anders verhielt sich ein Mann seiner Kragenweite, wenn er eine Beziehung beendet hatte. Trotzdem – konnte er nicht wenigstens die Nachricht selbst verfassen?
Lucy zwang sich dazu, unbekümmert zu klingen. „Was soll ich ihr denn schreiben?“
Aristoteles zuckte die
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