Julia Extra Band 0327
niemals in der Lage wäre. Niemanden würde er jemals anflehen, zu ihm zurückzukehren.
Dann ging er noch einmal in Gedanken das Gespräch mit Lucy durch. Hatte er vielleicht doch zu viel von ihr verlangt? Bisher hatte er es immer noch selbst geschafft, seinen Exgeliebten ein Abschiedsgeschenk auszusuchen. Und auch die Nachricht hatte er immer selbst geschrieben – zumindest eine Karte mit seinem Namen als Absender beigelegt. Als eindeutiges Zeichen dafür, dass die Beziehung beendet war und dass sich die betreffende Frau zukünftig nicht mehr bei ihm zu melden hatte. Nur wenige waren bisher so dreist auf ihn zugegangen wie Augustine Archer, die gleich persönlich erschienen war, um ihm die Meinung zu sagen. Mürrisch gestimmt musste Aristoteles zugeben, dass er mit zunehmendem Alter für viele Frauen eine noch größere Herausforderung darzustellen schien, als dies bisher der Fall gewesen war.
Sicher, irgendwann einmal würde er sich auf die Suche nach einer Ehefrau begeben und dann auch einen Erben in die Welt setzen.
Im Moment verwirrten ihn derartige Gedanken aber nur. Früh schon hatte Aristoteles gelernt, was es mit dem Heiraten und Kindergroßziehen auf sich hatte. Als er fünf Jahre alt gewesen war, hatte sein Vater ihm Helen Levakis, seine neue Stiefmutter, vorgestellt. Ein Jahr zuvor war seine leibliche Mutter gestorben, die einzige Person, von der er je tiefe Liebe und Zuneigung erfahren hatte.
Und immer noch kam es vor, dass Aristoteles nachts aus einem Albtraum aufschreckte. Nicht zuletzt war dies der Grund dafür, dass er noch nie eine ganze Nacht mit einer Frau verbracht hatte.
Als würden sie von einem Magnet dorthin gezogen, wanderten Aristoteles’ Gedanken wieder zu seiner Assistentin. Was ihm überhaupt nicht gefiel. Warum hatte er mit ihr über ein Geschenk für Augustine Archer diskutiert? Und was hatte ihn an Lucys ablehnendem Gesichtsausdruck gestört? Seit wann interessierte er sich überhaupt dafür, was sie von ihm dachte? Merkwürdigerweise hatte er das dringende Bedürfnis gefühlt, Lucy aus dem Konzept zu bringen. Er wollte sie verwirren, unsicher machen, aufregen . Von dem Tag an, seit sie für ihn arbeitete, hatte sie sich immer nur im Hintergrund aufgehalten.
Doch er hatte sie wahrgenommen, und sie hatte darauf reagiert, indem eine hübsche Röte ihre Wangen überzogen und ihre Lippen zu beben begonnen hatten. Aristoteles runzelte die Stirn. Hübsche Röte? Seit wann dachte er an hübsch , wenn es um Lucy Proctor ging? Und seit wann bedeutete hübsch etwas für ihn?
Damit aber noch nicht genug. Wie um alles in der Welt war er nur darauf gekommen, ihr anzubieten, ihn beim Vornamen zu nennen? Selbstverständlich hatte er bisher bei all seinen Assistentinnen Wert darauf gelegt, mit Mister Levakis angesprochen zu werden.
Um Ordnung in sein Gefühlsleben zu bringen, rief er kurz bei Lucy an und gab ihr die Telefonnummer einer berühmten Schauspielerin. Er bat sie darum, einen Termin fürs Abendessen auszumachen. Der Tatsache, dass Lucys Stimme ein merkwürdiges Ziehen in seiner Leistengegend verursachte, maß Aristoteles keine weitere Bedeutung zu. Alles würde wieder ins Lot kommen.
Am nächsten Morgen eilte Lucy von der Bushaltstelle zum Büro. Sie war immer noch empört über das, was sich am gestrigen Nachmittag zugetragen hatte. In der Hand hielt sie eine kleine Reisetasche mit schlichter Bürokleidung und einigen eleganteren Teilen für den Abend. Kurz nach ihrer Diskussion mit Aristoteles hatte sie nämlich einen Anruf aus der Personalabteilung erhalten, mit der Bitte, sich künftig etwas zweckmäßiger zu kleiden. Man hatte ihr vorgeschlagen, einfach einige geeignete Kleidungsstücke im Büro zu deponieren, sodass sie bei Bedarf jederzeit darauf zurückgreifen konnte. Also im Falle eines über Nacht eingelaufenen, zu engen Rockes, dachte Lucy mürrisch. Sie fühlte sich gedemütigt, weil ihr Chef nicht in der Lage gewesen war, sie persönlich darauf hinzuweisen, dass er mit ihrer Garderobe nicht einverstanden war. Außerdem war ihr unendlich peinlich, dass ihm also ganz offensichtlich aufgefallen war, wie eng und knapp ihr Rock gesessen hatte.
Doch seit dem Umzug ihrer Mutter hatte Lucy einfach noch keine Zeit zum Einkaufen finden können. Und ihr Job als persönliche Assistentin hatte es ihr auch selten erlaubt, pünktlich aus dem Büro zu kommen.
Zum Glück hatten am gestrigen Abend die Geschäfte länger als üblich geöffnet gehabt, und außerdem hatte Aristoteles
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