Julia Extra Band 0327
verbracht.“ Strahlend sah sie den Stallburschen an, der gleichgültig die Schultern hob. „Verzeihen Sie, aber ich habe Ihren Namen vergessen.“
„Pedro“, antwortete er freundlich. „Ich kümmere mich für Señor Mélendez um die Pferde, schon seit zwei Jahren. Genauso lange, wie Sie beide verheiratet sind, sí ?“
Der Hengst stampfte mit dem Huf auf, und Emelia strich ihm spontan über die stolze Stirn. „Du bist ein ganz schöner Angeber, weißt du das?“
Das Tier schnaubte, rieb aber seinen Kopf an ihrer Hand und warf Emelia dabei fast um.
Der Ausdruck in Pedros Augen war rätselhaft. „Er mag Sie, Señora Mélendez. Früher haben Sie immer Angst vor ihm gehabt. Er ist groß, stolz und hat einen eisernen Willen. Aber im Herzen ist er weich.“
Augenblicklich fragte sie sich, inwiefern diese Einschätzung auch auf ihren Ehemann zutreffen könnte. Pedro brachte Gitano in den Stall und kehrte kurz darauf mit einer hübschen kleinen Stute am Strick zurück. Sie schien mindestens so stolz wie Gitano zu sein, aber ihr Temperament war völlig anders gelagert.
Emelia legte ihre Arme um den schlanken Hals des Tieres und atmete tief den einzigartigen Duft des Pferdes ein – aber keine Erinnerung wollte in ihr wach werden. Dann tauchte plötzlich doch eine verschwommene Szene in ihrem Geiste auf.
Es war ein sonniger Tag, ähnlich wie heute, und Emelia wurde mit verbundenen Augen durch die Stallungen geführt. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Sie spürte starke Arme, die sie von hinten steuerten, einen großen, muskulösen Körper dicht an ihrem, den zitronigen Duft eines männlichen Aftershaves …
„Señora Mélendez“, rief Pedro leicht besorgt und warf damit die Tür zu ihrem Unterbewusstsein wieder zu. „Geht es Ihnen gut?“
Sie öffnete die Augen und verbarg ihre Frustration darüber, dass es vorerst bei diesem kleinen Schritt in Richtung Normalität verbleiben sollte. „Ja, alles bestens. Callida sieht fantastisch aus. Sie leisten sehr gute Arbeit, Pedro.“
„ Señora !“ Seine Augen wurden kugelrund. „Sie erinnern sich an ihren Namen, sí ? Callida. Señor Mélendez hat sie letzten Monat als Überraschung zu Ihrem Geburtstag gekauft.“
Fassungslos starrte sie den jungen Mann an, und ihre Gedanken überschlugen sich. „Ich habe keine Ahnung, wie mir dieser Name eingefallen ist! Er war einfach da … in meinem Kopf.“
Sein Grinsen wurde immer breiter. „Es ist gut, dass Sie zu Hause sind. Irgendwann wird Ihnen alles wieder einfallen, sí ?“
Emelia erwiderte sein Lächeln etwas verhalten. Der Name ihrer Stute war einfach so in ihrem Hirn aufgetaucht, ebenso wie die Erinnerung an die spanische Sprache. Was war noch in ihrem Geist verborgen, das nach und nach an die Oberfläche treten würde? Welche Auslöser brauchte Emelia dafür?
Callida stupste ihre Besitzerin leicht an und blies heißen Atem auf ihren Arm. Überglücklich kraulte Emelia das Stirnhaar der Stute. „Können Sie Callida bitte für mich satteln?“
Das Grinsen des jungen Mannes wich einer düsteren Miene. „Señor Mélendez … ich bin nicht sicher, ob er damit einverstanden ist. Sie hatten eine schwere Kopfverletzung, sí ? Es ist nicht gut, so bald wieder auf ein Pferd zu steigen.“
Selbstbewusst richtete sie sich zu voller Größe auf. „Mir geht es hervorragend“, sagte sie. „Und ich möchte mit Callida ausreiten, um zu sehen, ob mir noch mehr Details einfallen. Außerdem wird mir die Bewegung guttun. Schließlich kann ich wohl kaum den ganzen Tag hier herumsitzen, bis mein Mann … bis Señor Mélendez zurückkommt.“
Unschlüssig trat Pedro von einem Bein aufs andere. „Ich habe konkrete Anweisungen erhalten, und wenn ich sie nicht einhalte, könnte ich meinen Job verlieren.“
Entschlossen nahm Emelia ihm den Strick ab. „Ich werde ihm erklären, dass ich darauf bestanden habe. Und keine Sorge. Ich werde ganz sicher nicht zulassen, dass er Sie feuert!“
Nur eine halbe Stunde später ritt Emelia mit ihrer Stute über die Felder und fühlte sich so frei wie schon lange nicht mehr. Und während sie Callida in gestrecktem Galopp freien Lauf ließ, überlegte sie, warum ihr ein so kostbares, reizvolles Geschenk nicht gefallen hatte! Die Stute kam ganz offensichtlich aus einem guten Stall, und Emelia hatte Pferde immer geliebt.
Irgendwann erreichte sie einen Olivenhain und erkannte den Ort, der auf dem Foto in Javiers Arbeitszimmer abgebildet war. Hier hatte sie mit ihrem Ehemann Rast
Weitere Kostenlose Bücher