Julia Extra Band 0328
möglich zu beenden. Ohne anzuklopfen, platzte sie in das sonnendurchflutete Büro und blieb wie angewurzelt stehen, als sie den Mann hinter dem riesigen Schreibtisch erkannte.
Antonio Cavelli!
Was hatte er hier verloren? In ihrem Kopf ging alles drunter und drüber, während Victoria versuchte, die absurde Situation zu erfassen. Instinktiv umklammerte sie ihren Sohn wie einen Rettungsanker, bis Nathan laut protestierte und sich heftig wehrte.
Antonio hingegen wirkte äußerst entspannt und auf irgendeine absurde Weise mit sich zufrieden. Er saß bequem zurückgelehnt im schweren ledernen Chefsessel und ließ Victoria keine Sekunde aus den Augen, während er mit irgendjemand am Telefon italienisch sprach. Mit einer flüchtigen Geste forderte er sie auf, ihm gegenüber Platz zu nehmen.
„Dauert nur noch einen Augenblick“, informierte er sie, ehe er sein Telefonat weiterführte.
Victoria rührte sich nicht von der Stelle. Wie durch einen Nebel nahm sie wahr, dass aus einem angrenzenden Zimmer eine Sekretärin auftauchte, die Victorias unerlaubtes Eindringen mit geflüsterten Erklärungen zu entschuldigen versuchte. Doch sie wurde nur ungeduldig aus dem Raum gewiesen.
„Soweit ich es beurteilen kann, ist es die ideale Lösung“, teilte Antonio seinem Anwalt auf Italienisch mit, während er Victoria selbstvergessen von der strengen Frisur und der markanten Hornbrille über den ganzen Körper bis zu den flachen Schuhen mit prüfendem Blick musterte. „Aber versteh mich bitte nicht falsch, Ricardo, es wird nur eine Vernunftheirat auf dem Papier sein, eine geschäftliche Abmachung. Sobald die Firmenanteile in meinem Besitz sind, lasse ich mich wieder von ihr scheiden. Was das Ganze absolut perfekt macht, ist der Umstand, dass sie bereits ein Kind hat.“
Während Antonio anschließend den Ausführungen seines Anwalts lauschte, ruhte sein Blick auf dem kleinen Jungen, der seinen dunklen Lockenkopf an die Schulter seiner Mutter gepresst hielt.
„Ich habe mir die Dokumente noch einmal genau angeschaut, Ricardo. Mein Vater hat vergessen, darauf zu bestehen, dass sein Enkel von mir gezeugt worden sein muss. Wenn ihm nur daran liegt, den Namen Cavelli zu erhalten, ist eine Vernunftehe mit einer Frau, die bereits ein Kind hat, doch der goldene Weg, finden Sie nicht?“
Antonios Lippen verzogen sich zu einem triumphierenden Lächeln, als er sich das entsetzte Gesicht seines Vaters vorstellte, wenn dieser sein Versäumnis bemerkte und trotzdem keine andere Wahl hatte, als ihm seine sechzig Prozent der Firma zu überlassen. Es war die ultimative, absolut perfekte Rache!
Plötzlich konnte Antonio es kaum erwarten, den Knoten endgültig zu knüpfen und seinem Vater Victoria Heart und ihr Kind als dessen Schwiegertochter und dessen Enkel zu präsentieren.
„Ich überlasse alles Ihren fähigen Händen, Ricardo. Setzen Sie umgehend einen wasserdichten Vertrag und eine voreheliche Vereinbarung auf.“ Antonio lehnte sich vor und blätterte in seinem Terminkalender. „Am nächsten Montag werde ich zurück nach Italien fliegen und könnte sie … ja, vor dem Abflug bleiben mir ein paar Stunden Zeit, in denen wir die Trauung absolvieren können. Das gibt Ihnen knapp eine Woche Zeit für alle notwendigen Vorbereitungen. Ich werde umgehend Miss Hearts persönliche Daten und die des Kindes in Erfahrung bringen und sie Ihnen faxen oder mailen.“
Damit legte er den Hörer auf, und plötzlich herrschte eine fast greifbare Stille in dem Raum.
Victoria hatte sich immer noch nicht gerührt und beobachtete ihn aus ihren wundervollen grünen Augen wie eine wachsame Wildkatze.
„Setzen Sie sich doch“, bat er auf Englisch, doch sie reagierte nicht.
Sie hatte kein Wort von dem Telefonat verstanden, doch Antonios unaufhörliche Musterung hatte sie nicht nur zunehmend irritiert, sondern auch geärgert. Victoria fühlte sich wie ein Objekt, das für eine Auktion begutachtet und taxiert wurde, um den exakten Preis festzulegen.
Wie konnte er es nur wagen, sie derart despektierlich zu behandeln? Wer, zum Teufel, gab diesem Mann das Recht, sie so zu demütigen?
„Was geht hier eigentlich vor sich?“, fragte sie beherrscht. Ihre Stimme bebte vor Empörung. „Ich nehme an, Sie sind der Drahtzieher, der hinter der feindlichen Übernahme meines Restaurants steht? Haben Sie es wirklich nötig, sich hinter einem falschen Namen zu verstecken, Mr. Antonio Cavelli?“
„Sind Sie nicht etwas vorschnell mit Ihrem Urteil, Miss Heart?“,
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