Julia Extra Band 0328
fühlte, wie sie ein Prickeln durchzog. Hatte sie es tatsächlich geschafft, den wortgewandten Antonio Cavelli wenigstens einmal sprachlos zu machen?
„Es freut mich, dass ich dir gefalle.“
Ihre leichtherzige Antwort und der offene Blick fachte die Flamme in seinem Innern nur noch mehr an. Er wollte sie … wollte sie bis zur Besinnungslosigkeit küssen, ihr das exquisite Kleid vom Körper reißen und …
Die Macht und Intensität seiner Gefühle schockierten und verunsicherten ihn.
„Wir sollten gehen“, sagte er fast grob und nahm Victorias Arm. „Sonst komme ich noch zu spät zu meiner eigenen Rede.“
Antonio liebte Venedig bei Nacht. Die schläfrige Ruhe, die über der Lagunenstadt lag, wenn die Tagestouristen verschwunden waren und der magische Ort wieder den Venezianern gehörte. Doch mit Victoria an seiner Seite, die jeden noch so winzigen Eindruck mit wachen Augen und weitem Herzen in sich aufnahm, war es noch einmal ganz anders.
Tauben flatterten vor ihren Füßen auf, als sie den Markusplatz überquerten und aus einem offenstehenden Fenster schallte ihnen Opernmusik entgegen.
„Puccini!“, rief Victoria erfreut aus. „Ich liebe diese Arie! Und hier passt sie perfekt hin, zwischen all die Brücken, antiken Bauwerke und dem Sternenzelt darüber …“
„Achtung“, warnte Antonio lächelnd, als sie über das alte Kopfsteinpflaster schritten. „Nicht, dass du dir einen deiner nagelneuen Absätze abbrichst!“
„Ich kann problemlos darauf laufen!“, empörte sich Victoria. „Auch wenn du mich immer noch für einen echten Bauerntrampel zu halten scheinst! Gib zu, dass du dachtest, ich würde genau in dieser Rolle in der Hotel-Lobby auftauchen.“
„Ich weiß nicht mehr, was ich gedacht habe“, versuchte er sich herauszureden. Sie war verbotenes Terrain! Ihre Ehe ein rein geschäftlicher Deal, das durfte er nie vergessen! „Victoria, was diesen Kuss im Haus meines Vaters betrifft, den …“
„Darüber müssen wir nicht reden.“
„Ich wollte nur sagen … ich fand ihn außerordentlich reizvoll …“
„Tatsächlich? Ist mir nicht aufgefallen.“
Antonio schmunzelte skeptisch. „Wirklich nicht? Vielleicht sollten wir es einfach noch mal probieren, was denkst du?“
„Wir sollten uns lieber beeilen, sonst kommen wir noch zu spät“, erinnerte sie ihn spröde.
Antonio blieb stehen, umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen, beugte den Kopf und eroberte Victorias bebende Lippen in einem Kuss, in dem sich Zärtlichkeit mit leidenschaftlichem Begehren mischte und der sie schlicht überwältigte.
Das Geräusch sich nähernder Passanten ließ sie auseinanderfahren. Reglos stand Victoria einfach nur da und schaute zu Antonio auf, bis die Stimmen der Störenfriede in der Ferne verklangen.
„Das hätten wir nicht tun sollen“, flüsterte sie kaum hörbar.
„Mag sein“, pflichtete er ihr lässig bei. „Aber versuch jetzt nicht, mir weiszumachen, der Kuss hätte dich unberührt gelassen.“
„Ich … ich würde ihn lieber vergessen.“
Schweigend setzten sie ihren Weg fort, und als sie vor dem Hotel Carnival ankamen, überwältigte Victoria der spektakuläre Anblick des prachtvollen, dreistöckigen Gebäudes derart, dass sie für einen Moment alle anderen Gedanken vergaß.
Die riesige Eingangshalle war erfüllt vom Lachen und Plaudern mehrerer Hundert Gäste. Antonios Erscheinen wurde mit lautstarker Begeisterung aufgenommen. Jeder schien ihn zu kennen und wenigstens ein Wort oder einen Händedruck mit ihm wechseln zu wollen.
Schließlich standen sie im festlich geschmückten Ballsaal. Opulente Kristalllüster mit echten Kerzen tauchten den Raum in ein magisches Licht. In einer Ecke war eine Bühne errichtet worden, wo das Orchester einen Wiener Walzer spielte, zu dem sich die Gäste auf dem Tanzparkett bewegten.
Victoria und Antonio wurden über einen roten Teppich und eine Treppe empor zu einem Balkon geführt, wo sie an einem privaten Tisch Platz nahmen.
„Was für ein faszinierendes Ambiente“, stellte Victoria fasziniert fest und schaute sich bewundernd um.
Antonio nickte. „Ja, der Bau stammt aus dem fünfzehnten Jahrhundert, soweit ich weiß. Als er zum Hotel umfunktioniert wurde, hat man darauf geachtet, möglichst viel antike Substanz zu erhalten und die Authentizität des Interieurs so gut es geht zu wahren. Und wenn, dann nur zurückhaltend zu modernisieren.“
„Ich würde sagen, das Konzept ist absolut aufgegangen.“
Wie aus dem Nichts tauchte ein
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