Julia Extra Band 0328
seinem Vater gesetzt, doch seine Körpersprache drückte Abwehr und Konfrontation gleichzeitig aus. Victoria hoffte, dass er ihm wenigstens zuhörte. Sie mussten einen Strich unter die Vergangenheit ziehen, ehe es zu spät war.
Geistesabwesend badete sie Nathan und zog ihm trockene Sachen an. Inzwischen hatte er aufgehört zu weinen und war offensichtlich bereit für sein Nachmittagsschläfchen. Sie legte ihn in sein Bettchen, und als sie sich aufrichtete, war er bereits eingeschlafen.
Wie betäubt ging Victoria in ihr eigenes Schlafzimmer hinüber.
Noch während sie überlegte, was sie jetzt tun sollte, ertappte sie sich dabei, dass sie bereits den Laptop aufklappte, den Antonio ihr geschenkt hatte, damit sie jederzeit Kontakt zu ihren Angestellten in Australien halten konnte. Gestern Abend hatte sie im Bett noch die letzten Arbeiten an ihrem neuen Restaurant gecheckt und fast bedauert, dass die Eröffnung schon so kurz vor der Tür stand.
Jetzt suchte sie sich bereits Flüge nach Sydney heraus. Der nächste ging heute Abend um halb neun, doch dann würde sie über Rom fliegen müssen. Sie spürte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten, und wischte sie ärgerlich mit dem Handrücken weg.
Sollte sie den Flug gleich buchen oder lieber auf Antonio warten, um zu hören, was bei dem Vater-Sohn-Gespräch herausgekommen war? Wie verhielt man sich jemandem gegenüber, der einem vor wenigen Stunden noch so nahegestanden hatte wie kein anderer Mensch und jetzt so fern schien wie der Mond?
Wie sind eigentlich deine Gefühle mir gegenüber? Möchtest du, dass ich gehe?
Victoria krümmte sich innerlich bei der Vorstellung, wie Antonios Antworten aussehen würden. Vielleicht würde er sagen, dass er den Sex mit ihr genossen habe, aber immer noch nichts von festen Beziehungen halte …
Aber stand ihr nach den letzten Wochen, die sie so harmonisch zusammengelebt hatten, nicht wenigstens das Recht zu, sich darüber Gewissheit zu verschaffen?
Die Tür hinter ihr öffnete sich und Antonio trat ins Zimmer. Hastig schloss Victoria den Laptop, stand auf und ging ihm entgegen. „Ist dein Vater weg?“
„Glücklicherweise.“
Sie beobachtete, wie er sein Jackett aufs Bett warf und die Krawatte am Hals öffnete. Unter dem leichten Businesshemd konnte sie das Spiel seiner Muskeln bewundern. Kein Mann hatte das Recht, so umwerfend attraktiv zu sein!
„Wie ist es gelaufen?“
„So wie meistens. Er spricht in Rätseln“, entgegnete er knapp.
„Seltsam, als er mit mir sprach, machte alles einen Sinn. Aber ich befürchte, es geht ihm nicht so gut.“
„Wieso, was soll mit ihm sein?“ Antonio warf ihr einen scharfen Seitenblick zu, in dem aber auch Neugier lag.
„Ich weiß nicht, Genaueres hat er mir nicht gesagt.“
Antonio schüttelte den Kopf. „Glaub mir, Victoria, mein alter Herr liebt es, perfide Spielchen zu inszenieren. Lass dich nicht von ihm an der Nase herumführen.“
„Hat er das auch getan, als er mir erzählte, dass er versprochen hatte, dir seine Firmenanteile zu überschreiben, wenn du ihm im Gegenzug eine Familie samt Kind präsentierst?“, fragte sie kalt.
Antonio, der gerade sein Hemd aufknöpfte, erstarrte mitten in der Bewegung. „Das hat er dir erzählt?“
Sie nickte.
„Dazu hatte er kein Recht!“, stieß er erbost hervor.
„Warum? Weil es nicht der Wahrheit entspricht?“
„Doch, das tut es …“
„Oh, dann dachtest du wohl, das Ganze gehe mich nichts an?“
„Nein, er hätte es dir nicht erzählen dürfen, weil es nicht seine Sache ist, das zu tun. Wie gesagt … er spielt gern Spielchen, verursacht ständig Ärger und zwingt allen Menschen seinen Willen auf!“
Victoria zuckte achtlos mit den Schultern. „Nun, wie immer er auch sein mag, du bist jetzt im Besitz deiner heißbegehrten Anteile, und ich nehme an, das ist alles, was für dich zählt.“
War das wirklich alles, was zählte?
Antonio starrte Victoria an und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Als er den Heirats-Deal mit ihr abschloss, war er definitiv dieser Meinung gewesen. Doch plötzlich befand er sich auf unbekanntem Terrain und wusste nicht mehr, was er fühlen sollte.
„Ich habe mir im Internet bereits die Flüge nach Australien angeschaut“, informierte sie ihn kühl.
„Du hast ja nicht viel Zeit verloren!“
„Was hast du denn von mir erwartet?“, zwang sie sich zu einem gleichmütigen Ton. „Du hast, was du willst, und unser Deal ist hinfällig. Oder nicht …?“ Mit klopfendem Herzen
Weitere Kostenlose Bücher