Julia Extra Band 0328
uns. Sie und mein Vater haben sich nicht gut verstanden, deshalb kam sie nur selten vorbei. Doch als Delphi, Damia und ich größer waren, haben wir sie so oft wie möglich besucht. Sie hat uns alles über Pflanzen und Kräuter beigebracht und wie man traditionelle griechische Gerichte kocht, für die meine Stiefmutter Irini sich nicht interessierte.“
Leo runzelte die Stirn. „Wer ist Damia?“
„Damia war unsere Schwester. Delphis Zwilling.“ Schmerz färbte Angels Stimme.
„War?“
Angel nickte. „Sie starb mit fünfzehn bei einem Autounfall“, erklärte sie traurig. „Sie war damals ziemlich rebellisch. Und ich war nicht da, um …“ Sie stockte. Warum erzählte sie das überhaupt? Leo war sicher nicht an ihrem Leben interessiert.
Und dennoch fragte er: „Warum warst du nicht da?“
Schnell warf Angel ihm einen Blick zu. Er schien nicht nur aufrichtig interessiert, sondern ihr fiel es auch seltsam leicht, mit ihm zu sprechen. Also entschloss sie sich fortzufahren. „Mein Vater hat mich auf ein Internat in Irland geschickt, als ich zwölf war. Ich blieb dort, bis ich die Schule beendet hatte. So konnte ich viel über den irischen Teil meiner Familie erfahren und meine Mutter sehen.“ Dass ihr Vater seine Tochter hatte loswerden wollen, verschwieg sie.
Sie senkte einen Moment den Blick. „Das Schlimmste daran war, dass ich meine Schwestern und meine Großmutter verlassen musste. Großmutter ist in meinem ersten Jahr im Internat gestorben. Ich war zu weit weg, um zur Beerdigung nach Hause zu kommen.“
Auch bei Damias Beerdigung war es ihr nicht erlaubt worden zu kommen. Danach hatte Delphi sich an sie geklammert, und seither waren sie noch enger verbunden.
Schweigend saß Leo da, dann fragte er ruhig: „Warum hat deine Mutter euch verlassen?“
Angel hatte noch nie mit jemandem über ihre Mutter gesprochen, selbst mit Delphi nicht. Obwohl sie bei Leo widersprüchliche Gefühle verspürte, war er nicht rücksichtslos oder drängte sie, mehr zu erzählen. Tief atmete sie durch. „Sie ist gegangen, als ich zwei war. Sie war Model in Dublin und wunderschön. Vermutlich reichte es ihr nicht, als Hausfrau eines griechischen Ehemanns ihr Leben zu verbringen.“
„Und sie hat dich nicht mitgenommen?“
Angel schüttelte den Kopf. „Nein. Wahrscheinlich war ein Kleinkind zu viel für sie. Sie wollte zurück zu ihrem glamourösen Jetsetleben zu Hause. Ich habe sie ein paar Mal gesehen, als ich in Irland auf dem Internat war.“
Jetzt, da Angel es ausgesprochen hatte, klang es sehr mitleiderregend. Ihre eigene Mutter hatte es nicht für wert befunden, sie bei sich zu behalten. Wären die Zwillinge nicht gewesen, hätte Angel niemanden mehr gehabt.
Dann herrschte Schweigen, und Angel fühlte sich unbehaglich, weil sie Leo aus freien Stücken mehr erzählt hatte als je einem anderen Menschen. Als er aufstand, um die Sachen wegzuräumen, musste sie an etwas denken, was ihr Vater an dem schicksalhaften Abend erwähnte, als sie ihn mit dem Testament fand. Auch wenn sie Angst hatte zu fragen, hatte ihr eigenes Geständnis sie doch ermutigt. „Was ist mit deiner Mutter passiert?“, fragte sie deshalb.
Abrupt blieb Leo stehen und stemmte die Hände in die Hüften. Die Luft im Raum schien plötzlich kälter. Doch Angel wollte sich nicht einschüchtern lassen. Sie hatte nur die gleiche Frage gestellt wie er eben.
„Warum fragst du?“, meinte er scharf.
Angel schluckte. Sie wollte nicht lügen. „Stimmt es, dass sie Selbstmord begangen hat?“
Leo versteifte sich noch mehr. „Und wo hast du das her?“
Angel musste es sagen, auch wenn sie wusste, dass es sie in seinen Augen noch verdammenswerter machen würde. „Aus dem Testament.“
Er schien plötzlich weit weg zu sein. Dann lachte er freudlos auf. „Das Testament. Natürlich. Wie konnte ich das vergessen? Ja, ich glaube, der Selbstmord meiner Mutter wird dort erwähnt, wobei die grausamen Details natürlich ausgelassen wurden.“
Angel wollte die Hand nach ihm ausstrecken und ihm sagen, er solle aufhören. Doch er schien sie gar nicht wahrzunehmen.
„Ich habe sie gefunden, ich sah sie so. Sie hat sich mit einem Laken oben am Treppengeländer aufgehängt.“
Entsetzen und Mitleid erfüllten Angels Herz, doch sie schwieg instinktiv.
„Die Ehe meiner Eltern wurde arrangiert. Das Problem war nur, dass meine Mutter meinen Vater wirklich liebte. Doch ihm war nur sein Unternehmen wichtig und unser Heim in Griechenland wieder
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