Julia Extra Band 0328
geschehen würde, Jessa konnte sich nicht damit herausreden, sie hätte es nicht gewusst.
Schließlich war sie freiwillig in den Wagen gestiegen, den er hatte vorfahren lassen. Statt zu irgendeinem dieser Luxushotels rund um York hatte das Fahrzeug sie zum Leeds Bradford Airport gebracht, und sie hatte sich nicht darüber beschwert. Keinen Laut des Protests hatte sie von sich gegeben, als man sie an Bord des beeindruckenden Privatjets geleitet hatte. Vielmehr hatte sie sich etwas über Tariqs bedeutende Stellung eingeredet und sich vorgenommen, ein paar spitze Bemerkungen darüber vom Stapel zu lassen, dass er sie ausgerechnet nach London zum Dinner einladen musste. Sie hatte regelrecht schon dafür geübt und sich ein paar Sätze zurechtgelegt, als sie sich wohlig in die tiefen, bequemen Ledersitze kuschelte und von der freundlichen, immer lächelnden Hostess ein Glas Wein entgegennahm.
Doch dann hatte der Flug nicht eine Stunde gedauert, sondern zweieinhalb, und sie war nicht in London ausgestiegen, sondern in Paris.
An wen genau sollte sie nun ihre Beschwerde richten? Tariq hatte sie nicht genötigt herzukommen. Es war beängstigend, nachträglich festzustellen, dass sie selbst dafür verantwortlich war.
„Du darfst mir keinesfalls böse sein“, sagte Tariq jetzt. Jessa spürte, wie der Klang seiner sonoren, leicht exotisch gefärbten Stimme sie durchwallte, als ob er eine Stimmgabel angeschlagen hätte, nach deren Klang sich ihr Körper richtete. Er wies mit dem Kinn auf den Anblick imposanter Denkmäler und Gebäude, die aus der Kühle der Nacht zu ihnen heraufglitzerten. Dann richtete er den Blick wieder auf sie und machte eine galante Geste. „Solche Schönheit verbietet das schlechthin.“
„Warum sollte ich dir nicht böse sein dürfen?“ Jessa hielt die Hände im Schoß gefaltet und versuchte, die aufkommende Hysterie zu bekämpfen. Doch ehrlich gesagt handelte es sich nicht um Hysterie, nicht einmal um Ärger. Alles war sehr viel komplizierter.
„Du warst mit einem Essen einverstanden“, meinte Tariq mit gleichgültigem Schulterzucken. Sein Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. „Wo das genau stattfinden soll, darüber hast du ja nichts gesagt.“
„Ich muss verrückt gewesen sein“, entgegnete Jessa. Sie musste sich überwinden, seinem Blick ruhig und gelassen zu begegnen. „Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass man ein Land angeben muss, wenn man einer solchen Einladung zustimmt.“ Gezwungenermaßen, wollte sie hinzusetzen, doch sie unterließ es. Es hätte der Wahrheit nicht ganz entsprochen.
„Mir scheint, es dürfte noch einiges geben, wovon du nichts weißt“, sagte Tariq. Jessa ersparte sich die Mühe zu ergründen, welche Bedeutung hinter seiner Bemerkung stecken könnte.
„Wegen deines unermesslichen Reichtums bist du in der Lage, das alles bieten zu können“, sagte sie spitzzüngig, als ob es das Alltäglichste sei, mit dem Mitglied einer königlichen Familie sprechen zu dürfen. „Vermutlich sollte man so etwas von einem König erwarten, nicht wahr? Ich fände es offen gestanden noch imponierender, wenn du es dir leisten könntest, weil du dir dein Vermögen im Schweiße deines Angesichts mit harter Arbeit verdient hättest.“
„Da magst du recht haben“, sagte er. In seiner dunklen Stimme lag ein beleidigter Ton. Trotzdem thronte er auf seinem Stuhl wie ein Pascha. Doch sein Blick sprach Bände.
„Was ist so falsch an Monarchien?“, fragte er leichthin. Belustigt hob er eine Augenbraue. „Hat England nicht auch eine Königin?“
Diesmal ersparte sich Jessa eine Antwort. Ihr Blick wanderte zu seinem Mund. Ein harter, fast grausamer Zug lag auf seinen Lippen. Und doch konnte dieser Mund lächeln, dass es ihr den Atem raubte, und sie verwöhnen, dass ihr das Blut zu Kopf stieg, wenn sie nur daran dachte. Ihre Lippen öffneten sich zu einem tiefen Atemzug, oder vielleicht war es ein leises Seufzen? Ihr Magen zog sich vor Anspannung zusammen, und ihr Innerstes begann dahinzuschmelzen. Sie spürte jeden Atemzug, und ihr Herz begann zu hämmern, wenn sie sich vorstellte, wie sein Mund den ihren mit heißen Küssen eroberte und er sie raffiniert liebkoste.
Plötzlich hob sich der Vorhang mit brutaler Offenheit, der ihren Geist umnebelt hatte. Mit einem Schlag wurde Jessa bewusst, warum sie seiner Einladung so fügsam, so freiwillig gefolgt war. Über Grenzen hinweg, an Bord eines Privatjets, und sie hatte nicht einen einzigen Laut des Protests von
Weitere Kostenlose Bücher