Julia Extra Band 0330
Kopfschmerzen genommen?“ Raul kam näher, und erst jetzt bemerkte er die Tränen auf Libbys Gesicht. „ Cara? Was ist denn mit dir?“
„Nicht!“ Sie hob eine Hand, um seine Berührung abzuwehren. „Nenn mich nicht mehr so! Und spiel mir kein Mitgefühl vor, wenn es dir doch vollkommen egal ist, wie es mir geht!“
Die feste Mauer, die ihr Temperament bis eben noch in Schach gehalten hatte, zerbrach und setzte ungeahnte Kräfte in Libby frei. Frust und Verzweiflung trieben sie an, als sie spontan nach einem orangefarbenen Farbtopf griff, den sie heute angemischt hatte, und ihn mit voller Wucht gegen die Wand schleuderte. Dabei streifte das Gefäß Raul, der in Schockstarre reglos mitten im Raum stand, und besudelte ihn über und über mit Farbe.
Ein paar Sekunden lang herrschte Schweigen, bis der fassungslose Italiener endlich seine Stimme wiederfand. „ Madre di Dio! Was ist denn mit dir los? Du verrückter Rotschopf, bist du jetzt völlig übergeschnappt?“
„Ganz im Gegenteil. Ich bin endlich zur Besinnung gekommen und habe erkannt, was für ein hinterhältiger, rücksichtsloser Bastard du bist!“ Sie schleuderte ihm die Worte ebenso hasserfüllt entgegen wie zuvor den Farbtopf. „Deine Tante hat mir die entscheidende Klausel in Pietros Testament gezeigt. Die ich damals nicht mehr lesen konnte, als du in Pennmar bei mir aufgetaucht bist und mich mit Gewalt nach Italien holen wolltest.“
„Nicht mit Gewalt!“, verteidigte Raul sich, während er sich bemühte, Libbys Worten zu folgen. „Warum, um Himmels willen, sollte Carmina dir das Testament zeigen?“
„Weil sie mich hasst“, entgegnete Libby schlicht. „Sie hat Pietro geliebt und im Stillen gehofft, er würde sie erhören. Ihr muss klar gewesen sein, dass ich nichts von der Klausel bezüglich meiner Eheschließung wusste.“
Noch während sie sprach, erkannte sie panisch, dass Carmina davon ausging, Libby hätte ihr Herz an Raul verloren. War es denn so offensichtlich? „Willst du etwa abstreiten, dass du mir einen Antrag gemacht hast, um die volle Kontrolle über die Firma deines Vaters zu erlangen?“, fauchte sie.
„Ich streite nicht ab, dass dies einer meiner Gründe war“, gestand Raul und lachte kurz ironisch auf, als Libby sichtlich erblasste. „Ja, was glaubst du denn? Dass ich mein Herz an dich verloren hätte?“
„Nein. Natürlich nicht“, erwiderte sie etwas zu vehement, und die Farbe kehrte in ihre Wangen zurück. „Aber ich dachte, du liebst Gino. Immerhin hast du ihn adoptiert.“
„Das tue ich auch, und zwar von ganzem Herzen.“
„Ach, wirklich?“ Jetzt war es an ihr, ein sarkastisches Lachen auszustoßen. „Vielleicht hast du diese Gefühle aber auch nur vorgetäuscht, weil du wusstest, wie sehnlich ich mir eine heile Familie für den Kleinen wünsche. Immerhin habe ich dir meine eigene problematische Kindheit anvertraut.“ Ihr Temperament gewann erneut die Oberhand. „Natürlich war es falsch von mir, mich als Ginos Mutter auszugeben. Und ich habe es verdient, wenn du deshalb wütend auf mich bist. Aber du bist ein viel schlimmerer Lügner als ich und hast kaltblütig meine Liebe zu einem unschuldigen Baby ausgenutzt, um dir einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen.“
„Ich habe mir seine Anteile nicht angeeignet“, protestierte Raul scharf. „Zugegeben, ich wollte bis zu Ginos Volljährigkeit alleinige Verfügungsgewalt über das Unternehmen. Aber nur, damit ich die Geschäfte leichter vorantreiben kann und auf diesem Wege sicherstelle, dass es in Zukunft überhaupt eine florierende Firma gibt, die er erben kann.“ Raul seufzte. „Ich möchte meinem Vater gegenüber nicht illoyal sein, aber er hat die Firma stagnieren lassen. Mir war klar, dass wir unsere Führungsposition auf dem Kosmetikmarkt riskieren, wenn wir unser Produktfeld nicht entscheidend erweitern und neue, ausbaufähige Gebiete etablieren. Beispielsweise wollen wir eine exklusive Parfumserie präsentieren und auf dem Markt einführen. Und ich dachte, es wäre von Vorteil, diese wichtigen Entscheidungen allein treffen zu können, um Verzögerungen und Pannen auszuschließen.“
„ Dio , Libby“, fuhr er fort, als sie ihm nur stumm und anklagend in die Augen sah. „Willst du mir etwa vorwerfen, dass ich die Interessen der Firma vertrete, von der ich glaubte, ich würde sie ganz allein erben? Was erwartest du denn von mir? Ich war zutiefst geschockt, als ich erfahren habe, dass ich jede geschäftliche Entscheidung mit einer
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