Julia Extra Band 0330
nichts geschenkt, das wusste Julie mittlerweile. Was genau erwartete Nikos im Gegenzug für sein Darlehen? Und wo genau wurde sie überhaupt hingebracht?
Mit dem Handrücken wischte Julie sich jetzt den Schweiß von der Stirn. Sie wusste noch immer nicht, wo exakt sie sich befand, und es war ihr auch gleichgültig. Hauptsache war, sie hatte eine Unterkunft für die nächsten zwei Wochen. Und Julie vermutete, das hübsche, alte, verwaiste Landhaus war eines der ungenutzten englischen Besitztümer, die von der Kazandros Corp kürzlich erst aufgekauft worden waren.
Allerdings bewohnte Julie nicht das eigentliche Haupthaus, sondern nur einen kleinen Flügel, der offensichtlich früher einmal als Personaltrakt genutzt worden war. Kleine Räume und eine altmodische, praktische und schlichte Einrichtung. Die Zimmer waren eine ganze Weile schon nicht mehr benutzt worden.
Zuerst einmal reinigte Julie ihr neues Reich von Grund auf. Die Arbeit tat ihr gut, denn endlose Warterei ließ sich besser aushalten, wenn man sinnvoll beschäftigt war. Das Gleiche galt für den kleinen, von einer hohen Mauer umschlossenen Garten. Das Unkraut wucherte überall. Die ganze Fläche war eine regelrechte Sonnenfalle, und Julie trug nicht mehr als ein altes T-Shirt und kurze Shorts, während die Strahlen erbarmungslos auf ihren Rücken fielen.
Seit ihrer Ankunft war sie keiner Menschenseele begegnet. Zuerst wunderte Julie sich darüber, aber mittlerweile gefielen ihr die Abgeschiedenheit und die Ruhe. Der alte Kühlschrank in der Küche war ausgewischt und großzügig befüllt worden. Das Essen würde sicherlich für eine ganze Woche reichen. Auch in der Speisekammer befanden sich genügend Vorräte, und anscheinend war Julie der einzige Gast in diesem Haus.
Sie wunderte sich etwas über die Melancholie, die diese alten Wände beherbergten – und vor allem über die unglaubliche Schönheit des Gebäudes. Restauriert würde das Landhaus wieder in seinem früheren Glanz erstrahlen. Allerdings würde die Renovierung ein Vermögen verschlingen.
Bodenbretter hingen durch, der Putz rieselte von den Decken, und in manchen Ecken roch es eindeutig nach Schimmel. Noch hatte Julie sich nicht getraut, die oberen Stockwerke zu erkunden, für den Fall, dass man sich dort nicht mehr auf die Tragfähigkeit der Böden verlassen konnte.
Was Nikos wohl mit diesem Schmuckstück vorhatte? Vielleicht wollte er es zu einem nostalgischen Hotel umbauen oder auch als Konferenzzentrum nutzen. Oder es nach der Restaurierung an einen Liebhaber verkaufen? Julies Herz zog sich plötzlich zusammen, als sie sich vorstellte, wie wunderbar es wäre, hier zu leben. Mit ihm!
Schnell verdrängte sie diese Illusion und vor allem die Vorstellung von einem Happy End mit Nikos, denn das war ihnen mit Sicherheit nicht vergönnt. Vor vier Jahren hatte sie noch daran geglaubt, und es fiel ihr auch jetzt noch nicht leicht, diese Gefühle vollständig zu ignorieren.
Nikos musste inzwischen zweiunddreißig Jahre alt sein, und seine maskuline Ausstrahlung hatte über die Jahre noch zugenommen. Er faszinierte Julie heute noch mehr als früher, doch das machte ihr die Sache nur noch schwerer.
Abrupt blieb sie auf der Schwelle zu einem Zimmer stehen, das sie zuvor noch nicht besichtigt hatte. In der Mitte stand ein riesiger Flügel. Wie hypnotisiert ging sie darauf zu und entfernte Staub und Spinnweben von der edlen, glatt polierten Oberfläche. Im schwarzen, glänzenden Holz spiegelte sich Julies Gesicht, und die Betroffenheit stand ihr ins Gesicht geschrieben.
Wie lange war es her, seit Julie zum letzten Mal gespielt hatte? Dieser Teil ihres Lebens, den sie einmal als selbstverständlich erachtet hatte, war endgültig vorbei. Und es machte Julie unendlich traurig, daran erinnert zu werden.
Hastig lief sie hinaus in den Garten, der während der letzten Tage zu ihrem Refugium geworden war. Entschlossen und unermüdlich hatte sie ihn, so gut es ging, wieder hergerichtet, und diese Aufgabe hatte eine meditative Wirkung auf ihre Seele. Ein paar Schätze waren ihr dabei auch aufgefallen, wie die wilden Erdbeeren, die sich nun von Tag zu Tag dunkler färbten.
Ein schmerzender Rücken und abgebrochene Fingernägel waren ein kleiner Preis für die herrliche Entspannung, die sie in den alten Mauern ihres kleinen Gärtchens fand. Nur ein Bild in ihrem Kopf störte den Frieden: Nikos Kazandros und die irrsinnige Vorstellung, den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen zu wollen.
In Nikos’
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