Julia Extra Band 0330
sondern auch ihre finanziellen Nöte vor ihrem Vater. Einen Augenblick lang erwog er, Edward Granton ins rechte Bild zu setzen, verwarf diese Idee jedoch sogleich wieder. Der alte Mann verdiente es nicht, von Julies Eskapaden zu erfahren – damals wie heute nicht! Trotzdem musste sie von ihrem negativen Kurs abgebracht werden, und Nikos würde es tun, auch wenn es ihm missfiel.
„Schön, ich werde die Summe für dich begleichen. Ich gebe dir die fünftausend Pfund.“
Verblüfft öffnete sie den Mund, war jedoch völlig sprachlos. Wie könnte sie von Nikos Kazandros Geld annehmen?
„Es ist in meinem eigenen Interesse“, erklärte er bereitwillig, als er die Zweifel in ihren Augen bemerkte. „Falls die Presse deinen familiären Hintergrund recherchiert, stößt man früher oder später vielleicht auch auf mich. Sie werden herausfinden, dass wir … eine Weile miteinander ausgegangen sind. Auf keinen Fall riskiere ich, dass griechische Zeitungen mich mit einer Hure in Zusammenhang bringen, denn genau so werden sie dich betiteln. Vor allen Dingen will ich meinen Eltern einen Skandal ersparen.“ Seine Stimme war eiskalt. „Deshalb gebe ich dir die fünftausend Pfund, die du angeblich brauchst. Aber dafür wirst du nicht nur deinen Job bei der Escort-Agentur aufgeben, sondern ganz aus London verschwinden.“
Ihre Antwort kam automatisch. „Das geht nicht. Ich kann nicht aus London weggehen.“
„Wenn du mein Geld willst, musst du verschwinden.“
„Aber ich lebe hier.“
Nikos zuckte die Achseln. „Du kannst ja auch hierher zurückkehren. Aber erst, wenn Cosmo und auch ich außer Landes sind. Du darfst kein Risiko mehr eingehen.“
Höre nicht auf ihn! riet ihr eine innere Stimme. Du kannst unmöglich sein Geld annehmen!
Aber Verzweiflung und Hoffnung brachten Julie auf den Gedanken, dass diese Summe nicht mehr als ein Trinkgeld für ihn war. Und für sie bedeutete es so viel mehr.
Außerdem war sie bereit, sich selbst ein Stück weit zu verkaufen. Warum sollte es dann schlimmer sein, Hilfe von Nikos Kazandros anzunehmen? Das Leben war schließlich brutal und erforderte besondere Maßnahmen, um es zu meistern. Julie hatte gelernt, ihren Stolz, ihre Gefühle und ihr Herz zu ignorieren.
„Wie lange würde das dauern?“, erkundigte sie sich zögernd.
„Wie lange? Oh, ich denke, so etwa zwei Wochen. Anschließend kannst du hingehen, wo du willst.“
Ihre Gedanken überschlugen sich. „Ich brauche das Geld aber früher.“
„Du bekommst einen Scheck, sobald du London verlassen hast.“
Ihr entging nicht, wie sehr Nikos die Art ärgerte, wie sie mit ihm sprach. „Wo soll ich mich in der Zwischenzeit aufhalten? Zu weit darf es keinesfalls sein.“ Julie wollte die Gewissheit haben, innerhalb weniger Stunden mit dem Zug zurück in die Stadt fahren zu können.
Seine Lippen wurden schmal. „Keine Sorge, Julie! Ich entführe dich schon nicht in ein abgeschiedenes Liebesnest.“
Geflissentlich ignorierte Julie seinen schneidenden Sarkasmus. Sie würde alles an Nikos Kazandros ignorieren, bis auf sein Geld – ihre Rettungsleine. Die Rettung, die er ihr zuvor schon einmal versagt hatte!
Sie dachte über die Ironie dieses Umstands nach. Nur damals hatte sie nicht nach ein paar mickrigen Tausendern gefragt, sondern es ging um wesentlich mehr Geld als das.
Mit Mühe begegnete sie Nikos’ eindringlichem Blick, und die Intensität seines Ausdrucks heizte sie von innen auf. Nein, sie durfte nicht zulassen, dass alte Gefühle sich ihren Weg an die Oberfläche bahnten. Das war vorbei, für immer.
„Also, wohin geht es?“, erkundigte sie sich so neutral wie möglich.
Nikos stand vom Barhocker auf. „Sei um acht Uhr morgen früh abfahrbereit! Ich schicke dir einen Wagen.“
„Das ist zu früh“, widersprach sie sofort. Immerhin musste sie im Schuhladen Bescheid geben in der Hoffnung, dass man ihr zwei Wochen freigab, ohne sie zu entlassen. Sollte Julie allerdings gefeuert werden, müsste sie sich eben umgehend nach einem neuen Job umsehen, sobald sie wieder in London war. Das dürfte kein allzu großes Problem sein.
„Na und?“ Achselzuckend ging er um einen Tisch herum, während Julie ihm schweigend folgte. „Mein Fahrer wird dich jetzt nach Hause bringen. Dann hast du mehr als genug Zeit zum Packen.“
Was habe ich schon für eine Wahl? überlegte sie resigniert. Ich muss nehmen, was mir angeboten wird. Schließlich stehe ich buchstäblich mit dem Rücken zur Wand!
Wenn es bloß nicht so
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