Julia Extra Band 0330
gleichgültig, wie sie alles über sich ergehen ließ, nahm Julie auf dem Sofa Platz.
Nikos setzte sich ein ganzes Stück von ihr entfernt neben sie, in erster Linie, um sich selbst besser im Zaum halten zu können.
„Ich möchte genau wissen, was passiert ist, seit ich dich verlassen habe, Julie“, begann er so neutral wie möglich.
Mit verschlossenem Gesicht blickte sie ihn an. „Wozu?“
Nikos ignorierte den herausfordernden Unterton. „Erzähle es mir einfach! Du gehst ganz sicher nirgendwohin, bevor ich nicht alles erfahren habe. Also fang besser gleich an! Was ist da vor vier Jahren geschehen, nachdem ich gegangen bin? Wann hatte dein Vater den ersten Herzinfarkt?“
Mit diesem Nachdruck hatte Julie offensichtlich nicht gerechnet. „Woher weißt du überhaupt davon?“
„Die Schwester in der Rehaklinik. Er hatte zwei Herzinfarkte vor seinem Schlaganfall. Wann erlitt er den ersten?“
„Das geht dich einen Dreck an!“
Und auch diesen Ausbruch ignorierte Nikos geflissentlich. „Wann war es, Julie?“
„Das willst du wirklich wissen? Gut, dann verrate ich es dir!“, schrie sie plötzlich, als wäre sie aus einer Starre erwacht. „Den ersten erlitt er an dem Morgen, nachdem er ohne Rettungspaket für seine Firma aus Edinburgh zurückkam. Seine Sekretärin teilte ihm telefonisch mit, Kazandros würde keinen Nutzen in einer Zusammenarbeit sehen, und du selbst warst schon auf dem Rückflug nach Athen.“
Er sah nachdenklich aus. „An jenem Morgen?“
„Willst du vielleicht seine Krankenakte sehen?“, fragte Julie sarkastisch.
Doch Nikos hörte gar nicht hin. Thee mou! Direkt an dem Tag, nachdem er Julie hatte fallen lassen!
„Wie schlimm war es?“
„Er hat es irgendwie verkraftet“, wich sie aus. „Die Ärzte haben mich zwar gewarnt, dass er einen weiteren Infarkt erleiden könnte, aber dazu ist es nicht gekommen. Mein Vater blieb monatelang im Krankenhaus und musste mehrfach operiert werden. Deshalb habe ich die Musikhochschule aufgegeben, er brauchte eben auch sehr viel Pflege. Außerdem konnten wir uns die Gebühren nach dem Zusammenbruch des Unternehmens nicht mehr leisten. Das Haus im Holland Park haben wir ebenfalls verloren.“
„Das … tut mir sehr leid“, sagte Nikos stockend, obwohl ihm dieser Satz irgendwie unangebracht vorkam.
Julie zuckte übertrieben die Achseln. „Wieso denn? Hatte doch nichts mit dir zu tun. Nicht wirklich! Du warst doch nicht verantwortlich für unser Elend.“
„Dennoch“, entgegnete er steif und räusperte sich. „Und die zweite Herzattacke?“
„Ein Jahr später, und das war wesentlich schlimmer als beim ersten Mal. Mein Vater war extrem schwach und stand unter größerem Stress.“
„Stress?“
Sie drehte den Kopf weg. „Geldgeschichten. Er hat einen letzten Versuch unternommen, die Firma zu retten, und das hat ihm finanziell den Rest gegeben. Resultat: zweiter Herzinfarkt.“
Nikos nickte langsam. „Du hast erwähnt, er wäre mit einem boiler room -Betrug über den Tisch gezogen worden. Wie ist das passiert?“
War Edward Granton durch seine Krankheiten geschwächt gewesen und hatte keinen klaren Überblick mehr gehabt? Nikos sah in Julies Augen, wie schwer es ihr fiel, über diese Zeit zu sprechen.
„Er lag wieder im Krankenhaus, und ich besaß die Verfügungsgewalt. Man vermutete, er würde es kein zweites Mal schaffen. Und ich … ich wollte ihm wenigstens ein paar gute Neuigkeiten mitteilen können, weil er sich wegen dieses verflixten Geldes doch immer so viel Sorgen gemacht hat. Also habe ich … ich …“
Eiskalte Erkenntnis schoss durch Nikos’ Adern. „Sie hatten es also auf dich abgesehen, nicht auf deinen Vater.“ Die arme Julie! Ihr Leben lang abgeschottet von finanzieller Verantwortung, fokussiert auf die Musik und ihr Studium führte sie ein unbeschwertes, glückliches Leben. Und dann fiel sie in die Hände dieser skrupellosen Blutsauger! Das war, als würde man einen Welpen den Löwen zum Fraß vorwerfen, die ihn in Stücke rissen.
Unbeschreibliche Wut packte ihn, dass jemand Julie so etwas antun konnte. Sie saß kerzengerade aufgerichtet da, rang die Hände im Schoß, und ihre Augen wirkten hohl.
„Ich habe beinahe alles investiert, was uns gehörte, weil ich meinem Vater helfen wollte.“ Sie schluckte gegen ihr Schuldgefühl an, und das schlechte Gewissen lastete unerträglich schwer auf ihr. „Ich habe alles verloren, was ihm noch geblieben war. Alles, was er nach der Pleite noch retten konnte.
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