Julia Extra Band 0331
sein würde. Sie versuchte, sich einen ganz normalen Dienstag vorzustellen oder einen Samstagmorgen. Doch es funktionierte nicht. Das Einzige, woran sie denken konnte, war seine Hand auf ihrem Arm. Seine dunklen Augen, wie er sie von Kopf bis Fuß musterte. Nackte Haut auf nackter Haut in der Hitze der Nacht.
„Entschuldigung“, murmelte sie, legte das Besteck zur Seite und schenkte ihm ein schüchternes Lächeln. Keinen Augenblick länger konnte sie seine Nähe ertragen, ohne völlig den Verstand zu verlieren. „Ich bin gleich zurück.“
„Selbstverständlich.“ Luc erhob sich, rückte ihr den Stuhl zurecht und winkte einen Kellner herbei, um ihr mit der Schleppe zu helfen.
Er wirkte wie der perfekte Ehemann.
Doch sie wusste es besser.
Gedankenverloren ließ Luc die Rede seines Schwiegervaters über sich ergehen.
„Mazzanera heißt seinen künftigen Fürsten willkommen“, sagte dieser gerade. Der Fürst war in seine prachtvolle Galauniform gekleidet, die Goldlitzen glänzten mit dem polierten Tafelsilber um die Wette. „Allerdings hoffe ich, dass es noch lange nicht Zeit für einen Thronfolger ist“, fügte er lachend hinzu.
Luc interessierte sich weit mehr für seine Braut als für die Lebenserwartung von Fürst Guiseppe, dennoch fiel er in das Lachen der anderen Gäste ein.
Seit sie mit in den riesigen Ballsaal zurückgekehrt war, saß sie still und unbewegt neben ihm.
So streitlustig wie vorhin hatte sie ihm besser gefallen, musste er zugeben.
„Und du?“, griff er den Faden ihres Gesprächs wieder auf, als sei sie nicht fluchtartig verschwunden.
Wieder spürte er ihre Anspannung. Doch es war mehr in ihrer Haltung als nur Angst, erkannte er. Erwartung, Verlockung. Allerdings schien sie sich dessen nicht bewusst zu sein.
„Ich?“, fragte sie verwirrt.
„Warum hast du beschlossen, mich zu heiraten?“, wollte er wissen. Wieder fühlte er das Bedürfnis, sie zu beschützen, ihr die Furcht zu nehmen. Nie zuvor hatte er sich um eine Frau bemühen müssen. Doch sie, das ahnte er, war es wert.
„Beschlossen?“, wiederholte sie mit einem bitteren Lachen. Doch sofort hatte sie sich wieder unter Kontrolle. „Mein Vater erwartete, dass ich meine Pflicht tue“, fügte sie schlicht hinzu und spielte verlegen am Faltenwurf ihres Kleides.
„Du bist fünfundzwanzig. Andere Frauen in deinem Alter leben mit ihrem Freund zusammen, feiern bis tief in die Nacht und denken gar nicht daran, ihre Pflicht zu tun.“ Unverwandt sah er sie an, während er sprach.
„Ich bin eben nicht wie alle anderen“, gab Gabrielle abweisend zurück. Ihre Miene blieb vollkommen unbewegt, doch an dem nervösen Spiel ihrer Finger und an ihrer angespannten Haltung erkannte Luc, dass das Gespräch sie nicht kalt ließ.
„Meine Mutter starb, als ich noch ein Kind war, und mein Vater hatte nur noch mich.“ Sie atmete tief durch, ehe sie fortfuhr. „Eines Tages werde ich Herrscherin über Mazzanera sein. Ich muss im Sinne meines Volkes handeln.“
Während sie sprach, ruhte ihr Blick auf ihrem Vater. Luc erinnerte sich, dass er ganz ähnlich Worte gebraucht hatte. In diesem Moment hatte der Fürst seine Rede beendet und nahm wieder Platz. Nicht ein einziges persönliches Wort hatte er an seine Tochter gerichtet, stellte Luc fest. Und er spürte, dass Gabrielle deshalb verletzt war.
Plötzlich hatte er das Bedürfnis, sie zu trösten. „Er ist sehr stolz auf dich“, sagte er. „Du bist ein Diamant, der dieses Fürstentum zum Strahlen bringt.“
Nur kurz hatte er die Trauer in ihrem Blick erkennen können. Jetzt sah sie ihn erneut ausdruckslos aus ihren meerblauen Augen an. „Manche Edelsteine haben einen ganz persönlichen unermesslichen Wert für ihren Besitzer. Für andere dagegen nennt man einfach ganz kühl einen Preis.“
„Du bist ganz sicher unbezahlbar“, erwiderte er und glaubte, das Thema damit zu beenden. Schließlich liebten Frauen es, wenn man ihnen derart schmeichelte.
„Nun, mein Vater scheint meinen Wert ziemlich genau zu kennen. Ohne mit der Wimper zu zucken, hat er seinen angeblich unbezahlbaren Diamanten verkauft – und nun sitzen wir hier und sind verheiratet.“
Missbilligend runzelte Luc die Stirn. Genau das kam dabei heraus, wenn man seinen Gefühlen nachgab. Er hätte sich niemals auf dieses Gespräch einlassen dürfen. Hatte sie wirklich erwartet, bei der Hochzeit einer künftigen Fürstin gehe es um die große Liebe?
„Sagen Sie mir, Prinzessin“, begann er und beugte sich
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