Julia Extra Band 0331
dir Angst?“, verlangte Luc leise zu wissen, während sie die Reihe der Gratulanten am Palast abschritten.
Gabrielle lächelte, grüßte, schüttelte Hände – sie war eine ausgezeichnete Gastgeberin. Verstohlen sah sie ihn kurz an.
„Das tust du nicht“, gab sie ebenso flüsternd zurück, während sie weiterhin verbindlich lächelte und einen entfernten Cousin begrüßte, Baron de la Vazza.
Eigentlich hatte Luc genau diese Antwort erwartet. Schließlich war sie schon als kleines Mädchen dazu erzogen worden, sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen.
„Meinen Glückwunsch“, wandte sich der Baron an Luc und reichte ihm seine fleischige Hand. Luc kannte den Baron von unzähligen Fotos bekannter Klatschblätter, die ihn auf ausschweifenden Partys mit viel Alkohol und jungen Mädchen zeigten.
Höflich nahm der Bräutigam die Glückwünsche entgegen, während er insgeheim Abscheu empfand. Er hatte sich geschworen, niemals dieses leere nutzlose Leben zu führen, das viele der oberen Zehntausend so sehr zu genießen schienen.
Gabrielle stand direkt neben ihm, und er spürte ihre Anspannung. Besorgt sah er sie an. Natürlich war es gut, wenn sie akzeptierte, dass er in dieser Ehe das Sagen hatte. Aber es behagte ihm nicht, dass er Furcht einflößend auf sie wirkte.
Als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, war er von ihrer Anmut, ihrem guten Aussehen und ihrer Zurückhaltung begeistert gewesen. Doch Gabrielle hatte weit mehr zu bieten als das, erkannte er jetzt. Die blaugrüne Farbe ihrer Augen erinnerte ihn an das glitzernde Meer, an dem das Fürstentum lag. Ihr dichtes honigblondes Haar trug sie heute kunstvoll aufgesteckt und geschmückt mit einem funkelnden Diadem. Ihr Mund, auf den sie in Sekundenschnelle ein freundliches Lächeln zaubern konnte, war voll und von einem tiefen Rot. Doch viel wichtiger als alles andere – sie war tugendhaft. Und von nun an war sie seine Frau.
Als er in der Kathedrale gesehen hatte, wie sie mühsam die Tränen zurückgehalten hatte, war der Beschützer in ihm erwacht. Normalerweise interessierte es ihn nicht, was die Menschen von ihm dachten. Entweder taten sie, was er erwartete, oder sie gingen ihm aus dem Weg. Doch Gabrielles ängstliche Verwirrung hatte ihn seltsam angerührt.
„Komm mit“, forderte er sie auf, nachdem sie die letzten Gäste begrüßt hatten. Ohne auf ihre Antwort zu warten, führte er sie durch den mit bodentiefen Bogenfenstern verglasten Wintergarten auf die breite Veranda, die rings um den Palast lief. Von hier bot sich ein atemberaubender Blick auf die grünen Hügel Mazzaneras und das weite Meer, auf dem ein paar Fischerboote ihre Spuren zogen.
„Aber das Essen …“, wandte sie ein.
Ihre Stimme war ruhig und klangvoll. Perfekt, wie alles an ihr, dachte er.
Als er ihren Arm berührte, spürte er, wie ein leichter Schauer sie durchfuhr. Kaum sichtbar lächelte er.
„Die Gäste warten auf uns“, unternahm Gabrielle einen zweiten Versuch.
Auf der Veranda wehte ein leichter Wind und brachte angenehme Abkühlung. Unten im Tal läuteten die Glocken aller Kirchen – ihnen zu Ehren, wie Luc wusste.
Zufrieden lehnte er sich gegen die Brüstung und betrachtete seine Frau. Mit der Hochzeit war sein Leben nun genauso, wie er es immer geplant hatte.
Doch noch immer wich Gabrielle seinem Blick aus. Angestrengt schaute sie aufs Meer, als könne sie dort Trost und Mut finden.
„Sieh mich an!“ Sein Ton war freundlich, aber bestimmt.
Nur langsam wandte sie den Blick ab vom Horizont und schaute ihn an. Angestrengt biss sie sich dabei auf die Lippe.
Wie gern hätte er sie geküsst und den Schmerz gelindert. Eine unbändige Lust ergriff ihn, und nur mit Mühe konnte er sie im Zaum halten. Er wollte nichts überstürzen, sondern sie langsam daran gewöhnen, verheiratet zu sein.
„Ist es so schlimm, mich anzusehen?“ Mit einem leichten Lächeln wandte er sich ihr zu.
„Ich habe einen völlig Fremden geheiratet“, entfuhr es ihr.
„Heute noch bin ich ein Fremder für dich“, räumte Luc ein. „Aber du wirst mich schnell kennenlernen. Auch wenn dir im Moment alles unglaublich schwierig erscheint.“
„Schwierig“, wiederholte sie mit einem bitteren Lachen und wich seinem Blick erneut aus. „Ja, so kann man es nennen.“
Behutsam fasste er ihr Kinn und drehte sanft ihr Gesicht in seine Richtung. Um ihn ansehen zu können, musste sie den Kopf in den Nacken legen.
Die Berührung löste ein begieriges Verlangen in ihm aus. Sie war sein.
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