Julia Extra Band 0331
eigenen Küche in London zu arbeiten.
Ein nasser, grauer Februartag mit ohrenbetäubendem Verkehrslärm war nicht ganz der herzliche, glamouröse Empfang, den er gern gehabt hätte. Trotzdem war Brad überglücklich.
Denn nach jahrelangem Träumen und Planen war es nun endlich so weit. Und unter all den Standorten auf der Welt, die er wählen könnte, gab es nur eine einzige Stadt, in die er zurückkehren wollte.
London.
Hier hatte er als zorniger, frustrierter Teenager die schlimmsten Jahre seines Lebens durchlitten. Damals war London einfach ein weiterer kalter und unfreundlicher Ort gewesen, wo seine alleinstehende Mutter ihn aus einer billigen Mietwohnung in die nächste gezerrt hatte, während sie sich zwei oder drei Jobs für Ungelernte suchte, um sich mit ihrem Sohn über Wasser zu halten.
Jobs, für die man nicht besonders gut lesen und schreiben können musste.
Brad hatte sie hassen gelernt und war dabei intelligent genug gewesen, zu erkennen, dass er sich wahrscheinlich genau solche Arbeit besorgen würde, sobald er mit der Schule fertig war.
Denn wer stellte schon einen Jungen ein, der kaum seinen Namen und seine Adresse in ein Bewerbungsformular schreiben konnte? Einen verhaltensauffälligen Jungen, der von einer Schule nach der anderen geflogen war. Einen, der, ganz gleich wie er sich bemühte, nie den Anforderungen gerecht wurde. Einen Schulversager. Keiner!
Wenn er der Welt zeigen wollte, wie weit es dieser Junge gebracht hatte, dann musste er das in London tun.
Tief atmete Brad die feuchte Luft ein.
Nicht, dass alles schlecht gewesen war. Seine Karriere als Koch hatte in dieser Stadt begonnen.
Kaum zu glauben, dass Maria Rossis Restaurant und seine alte Hochschule für Gastronomie nur ein paar Meilen die Straße hinunter lagen. Manchmal kam es ihm so vor, als wäre es ein ganzes Leben her. Ein Leben voller Erschöpfung, harter Arbeit und noch härterer Erfahrungen.
Vor all den Jahren hatte Maria Rossi nicht wirklich gewusst, worauf sie sich einließ, als sie ihm eine Chance gegeben hatte.
Sie war damals ein großes Risiko eingegangen.
So wie er jetzt.
In einer Zeit, in der sogar erfolgreiche Restaurants mit sinkenden Einnahmen zu kämpfen hatten, wollte er sein eigenes eröffnen. Er konnte es nicht erwarten, mit so einem verrückten, aufregenden, spannenden Projekt loszulegen.
Dies war das größte Abenteuer seines Lebens!
Selbst der Anblick von Backsteinen und Mörtel hob seine Stimmung. Bis jetzt war dieser Ort nur eine Idee gewesen. Ein Traum, über den Brad mit seinem Freund Chris während ihrer zweijährigen Ausbildung in Paris bei unzähligen Gläsern Wein gesprochen hatte. Das war ein Jahrzehnt her.
Und jetzt sah Brad den Traum Wirklichkeit werden.
„Wo ist dein Kilt, alter Junge?“, fragte der kleine, stämmige, vornehm gekleidete Mann, der auf Brad zukam. „Hast du ihn etwa in Australien gelassen?“
Brad schüttelte seinem besten Freund die Hand. „Fang nicht wieder damit an! Hervorragende Publicity, wie immer, aber du weißt doch, dass ich nur die ersten zwei Monate meines Lebens in Schottland verbracht habe. Das wird mir der Cameron-Clan nie verzeihen!“
„Ich bin sicher, sie sehen darüber hinweg, wenn dieser Palast moderner Kochkunst erst einmal eröffnet ist. Was meinst du zu den Fortschritten auf der Baustelle?“
„Die Frage beantworte ich, nachdem du mir die Küche gezeigt hast. Darauf freue ich mich schon lange.“
„Oh. Die Küche. Wir sind ein bisschen in Verzug geraten.“ Mit einer Kopfbewegung deutete Chris auf den riesigen mit Abdeckplanen verhüllten Hügel im Eingangsbereich des Hauses.
Brad holte Atem und ging dorthin, wo der Empfang sein würde, wenn die Wände eingezogen worden waren. Vorsichtig hob er eine der Abdeckplanen an und betrachtete die Verpackungskisten. „Sag mir, dass es nicht das ist, wofür ich es halte!“
„Leider doch“, erwiderte Chris. „Die Lieferung der Backöfen hat sich verzögert. Ich kann nichts machen, bis die Öfen eingebaut und getestet sind. Du wolltest das Beste, und du bekommst es. Nur nicht diese Woche.“
„In ein paar Wochen öffnen wir für zahlende Gäste, und bis jetzt habe ich weder eine Speisekarte noch Personal. Dieses Haus muss so bald wie möglich fertig sein, oder wir können vielleicht die erste Tilgungsrate für das Bankdarlehen nicht pünktlich zahlen. Unsere Kreditwürdigkeit wird darunter leiden. Es war wohl keine so gute Idee, schon alle wichtigen Restaurantkritiker und Journalisten
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