Julia Extra Band 0331
stürmisch gewesen war. Wenn es an ihrem Alter gelegen hatte, dann konnte das jetzt keine Rolle mehr spielen. Sie war schließlich älter geworden. Die Kinder in ihrer Klasse hielten sie sogar für steinalt. Sie war jetzt auch nicht mehr so verklemmt. Als sie an die leidenschaftliche Begegnung auf ihrem Küchentisch dachte, spürte sie erneut Hitze in ihrem Gesicht aufsteigen. Sie war ganz bestimmt nicht mehr so verklemmt.
Sie musste ihm nur beweisen, dass sie erwachsen geworden war und wusste, was sie wollte. Dann würde er sich entschuldigen. Sie wäre zwar verletzt, würde ihm aber verzeihen. Ihre Gedanken überschlugen sich. Eben war sie noch verzweifelt gewesen, jetzt glaubte sie an ein Happy End.
Alekos atmete tief ein. „Am Morgen unserer Hochzeit habe ich ein Interview mit dir in einer Zeitung gelesen.“
Kelly war in Gedanken noch mit ihrer rosigen Zukunft beschäftigt. Was hatte sie damals in dem Interview gesagt? „Die Reporter sind mir nachgelaufen. Da du vorher noch nie von Hochzeit gesprochen hattest, fanden sie mich wohl interessant.“
Er wird sich über das Baby wahnsinnig freuen, dachte sie verträumt.
Sie würden glücklich bis an ihr Lebensende sein. Sie würde ihn bitten, ein Häuschen in Little Molting zu kaufen; im September konnte sie noch unterrichten. Wenn das Baby da war, könnten sie nach Korfu zurückkehren und es inmitten der Olivenbäume großziehen.
Sie lächelte Alekos an. Er erwiderte das Lächeln nicht.
Stattdessen wurden seine Gesichtszüge hart. „Du hattest ihnen erzählt, dass du eine Familie wolltest. Du sprachst von vier Kindern.“
„Stimmt.“ Kelly überlegte, ob dies der richtige Moment war, ihm zu sagen, dass eines davon bereits unterwegs war. „Mindestens vier.“
Alekos rieb sich mit der Hand über den Nacken. „Als ich den Artikel las, erkannte ich, dass wir uns in diese Beziehung gestürzt hatten, ohne einen Gedanken an die Zukunft zu verschwenden. Wir hatten nie darüber gesprochen, was wir beide uns wirklich wünschen.“ Seine Stimme klang belegt. „Erst als ich das Interview las, wurde mir bewusst, dass wir nicht dasselbe wollten.“
„Ach?“ Kelly, die noch immer ihren romantischen Träumen nachhing, lächelte ihn verständnisvoll an. „Hättest du es doch gleich gesagt. Ich hatte vergessen, dass du Grieche bist. Griechen leben immer in Großfamilien, nicht? Vier Kinder sind dir wahrscheinlich nicht genug. Aber: Wir können mehr haben, mir macht das nichts aus. Zu Hause unterrichte ich dreißig Kinder! Wie viele Kinder willst du?“
Alekos schloss die Augen. „Kelly …“
„Ich liebe Kinder. Ich erwarte nicht einmal, dass du die Windeln wechselst, solange du mir bei den anderen Sachen hilfst.“
„Kelly.“ Er hielt sie an der Schulter fest, zwang sie, ihm zuzuhören. „Ich will keine Großfamilie.“ Er wartete einen Augenblick, bis sie den Satz verdaut hatte. „Ich möchte überhaupt keine Familie.“
Kelly öffnete den Mund. „Aber …“
„Ich versuche dir zu erklären, dass ich nie Kinder wollte.“
5. KAPITEL
„Tun Sie doch etwas!“ Alekos’ Stimme klang gereizt, als er den alten Dorfarzt zur Eile antrieb. Der Mann musste fast siebzig sein. Alekos überlegte, wie lange es dauern würde, einen Spezialisten aus Athen einfliegen zu lassen. „Sie hat sich den Kopf gestoßen!“
„War sie bewusstlos?“
Alekos dachte an den schrecklichen Moment, als Kelly mit dem Kopf auf den Marmorboden aufgeschlagen war.
„Zuerst nicht. Ich habe sie ins Schlafzimmer getragen, und seitdem liegt sie hier und ist bewusstlos.“
Der Arzt befühlte die Schwellung an Kellys Stirn. „Warum ist sie gestürzt?“
Alekos spürte die Anspannung in seinem Körper. Dies war das schlimmste Gespräch seines Lebens. „Sie ist auf dem Boden ausgerutscht, als sie weglaufen wollte.“
„Warum wollte sie weglaufen?“
Auf Alekos’ Wangen bildeten sich rote Flecken, er fühlte sich schuldig. „Etwas hat sie aufgebracht.“ Alekos fragte sich, warum er dem Arzt so bereitwillig Auskunft gab. „ Ich habe sie mit einer Bemerkung aufgebracht.“
Der Arzt zeigte sich von diesem Geständnis unbeeindruckt und zog ein Pillenfläschchen aus seiner Tasche. „Dann hat sich hier nicht viel verändert. An Kellys Hochzeitstag wurde ich auch gerufen. Oder sagen wir lieber an dem Tag, an dem ihre Hochzeit eigentlich stattfinden sollte.“
Obwohl der Mann so alt und langsam war, funktionierte sein Gedächtnis noch einwandfrei . „Kelly brauchte einen
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