Julia Extra Band 0332
seinem Unterbewusstsein geschlummert. Sein Stück war in sich schlüssig gewesen, schon bevor er das erste Wort zu Papier gebracht hatte. Er war nur blind dafür gewesen, weil er wieder einmal wesentliche Probleme verdrängt und sich mit gewissen Dingen nicht auseinandergesetzt hatte.
Er hatte sein altes Spiel gespielt, doch damit war es jetzt aus. Die Zeit des Versteckens war unweigerlich vorbei.
„Na, wie kommst du mit deinem Stück voran?“
Brad lehnte sich in seinem Stuhl zurück und hielt den Hörer näher ans Ohr. „Hallo Jane. Was macht das Leben in der City?“
„Darüber berichte ich dir erst, wenn du mir meine Frage beantwortet hast.
„Das Stück wächst, blüht und gedeiht. In den letzten zwei Wochen hatte ich einen enormen kreativen Schub.“
„Und der wurde von deiner bezaubernden Muse hervorgerufen, oder? Wie geht es ihr übrigens? Sie lebt nun schon seit zwei Wochen mit dir in der Wildnis und scheint es dem Großstadtleben hier in London vorzuziehen. Das lässt tief blicken.“
„Wenn du meinst.“
„Ja, diese Maya muss enormes Durchhaltevermögen besitzen … außerdem muss sie Nerven wie Drahtseile haben, sonst würde sie es nicht mit einem so sprunghaften und launischen Schriftsteller wie dir aushalten.“
Brad runzelte die Stirn. „Mag sein, ihr Vater war jedenfalls auch Künstler.“
„Das erklärt alles, Darling. Wir alle wissen, was für ein liebenswerter Charmeur du bist, solange du nicht gerade ein Stück schreibst. Doch hast du erst einmal angefangen, geht man dir besser aus dem Weg.“
„Das war einmal. Ich habe mich geändert.“ Er lachte zwar, doch es war ihm ernst.
Seit er Maya kannte, war er wirklich irgendwie anders geworden. Sie hatte eine neue Saite in ihm zum Klingen gebracht. Er wurde nicht mehr so schnell ärgerlich oder gar wütend, wenn die Dinge nicht so liefen, wie sie es seiner Meinung nach tun sollten – und er konnte in Mayas Gegenwart entspannt und glücklich sein. Das war ihm in dieser Form bei noch keiner Frau gelungen, bisher hatte er nach einer gewissen Zeit stets das Gefühl gehabt, fliehen und für sich sein zu müssen.
„Maya ist übrigens eine großartige Frau“, fügte er hinzu. Allein der Gedanke an Maya reichte, um ihm warm ums Herz werden zu lassen. Zurzeit saß sie gerade im Nebenraum und tippte das, was er gestern geschrieben hatte, ins Reine. Er freute sich schon unbändig darauf, sie anschließend zum Tee in ein Luxusrestaurant auszuführen.
„Armes England!“ Janes Stimme klang dramatisch. „Jetzt werden selbst unsere klügsten Köpfe verrückt.“
„Wie soll ich das denn bitte verstehen?“
„Kann es sein, Brad, dass es dich erwischt hat? Bist du nicht verrückt nach dieser Frau? So richtig verrückt?“
Brad lehnte sich wieder nach vorn, an seiner Schläfe pochte eine kleine Ader. „Du weißt genau, ich glaube nicht an Märchen, Jane. Ein ‚und sie waren glücklich bis ans Ende ihrer Tage‘ gibt es für mich nicht. Renne also bitte nicht gleich in deine Lieblingsboutique, um dir ein Kleid für meine Hochzeit zu kaufen.“
„Du klingst glücklicher als sonst – das ist alles, was ich sagen wollte. Wenn du von dieser Frau sprichst, klingt deine Stimme plötzlich ganz anders.“
„Glück ist niemals von Dauer, besonders in romantischen Beziehungen ist es äußert kurzlebig. Tag für Tag mit jemandem zusammenleben zu müssen, zerstört nicht nur die Illusionen, sondern auch die Erotik … das jedenfalls habe ich mir sagen lassen. Warum soll ich die Zeit mit Maya nicht einfach genießen? Muss denn jede Beziehung immer gleich auf Dauer angelegt sein?“
„Das ist natürlich einzig und allein deine Entscheidung, Brad. Als deine Freundin muss ich dir allerdings sagen: Es würde mir leidtun, wenn du zu einem einsamen alten Griesgram wirst.“
„Ich fühle mich durch deine Anteilnahme sehr geehrt, Jane, aber du machst dir unnötige Sorgen. Ein berühmter Künstler wie ich wird immer eine hübsche und willige Gefährtin finden – selbst als übellauniger Tattergreis.“
Brad lachte über seinen Witz, hörte jedoch selbst, wie hohl das klang.
11. KAPITEL
Maya war wie betäubt. Blicklos starrte sie auf das zarte Aquarell mit den Veilchen, das neben der Tür zu Brads Arbeitszimmer hing. Brads Worte klangen ihr noch im Ohr, und ihre Knie drohten nachzugeben. So gern sie die Erinnerung daran auch ausgeblendet hätte, es war ihr unmöglich.
Es lag klar auf der Hand: Sie hatte sich falsche Hoffnungen gemacht. Die
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