Julia Extra Band 0332
krank geworden wäre?“, erkundigte sie sich hoffnungsvoll.
„Man könnte, aber ohne Aussicht auf Erfolg“, dämpfte er ihren Optimismus. „Er hätte mehrmals Grund gehabt, die Klausel zu löschen, und er hat es nicht getan. Das würde als Argument gelten, dass er sie, aus welchem Grund auch immer, beibehalten wollte.“
May schüttelte wie benommen den Kopf. „Weißt du, Freddie, wenn alles Vermögen an eine karitative Einrichtung gehen würde, könnte ich mich damit abfinden. Aber dass alles an die Regierung geht, die doch …“ Plötzlich versagte ihr die Stimme.
„Zur Zeit des Coleridge, der die Bestimmung als Erster in sein Testament aufnahm, kämpfte England gegen Napoleon. Dein Vorfahre war eben ein Patriot.“
„Ach was! Er war ein tyrannischer Vater, der seinen Sohn zwingen wollte, mit dem Lotterleben aufzuhören und endlich eine Familie zu gründen“, konterte sie hitzig. „Und ich darf das jetzt ausbaden!“
„Könntest du nicht heiraten?“, schlug Freddie vor. „Noch ist genug Zeit für das Aufgebot.“
„Ist das ein Antrag?“, fragte sie spöttisch.
„Leider würde Bigamie nicht die gesetzlichen Anforderungen erfüllen“, erwiderte er belustigt.
Dass Freddie Sinn für Humor hatte, war ihr bisher nie aufgefallen.
„Kennst du denn niemand, der infrage käme?“, fügte er hinzu.
May schüttelte den Kopf. Es hatte in ihrem Leben ohnehin nur einen Mann gegeben, für den sie sich hatte erwärmen können. Und das war nicht ihr Verlobter gewesen.
„Woher hätte ich die Zeit für Dates nehmen sollen, Freddie? Ich hatte mit der Pflege von Grandpa und mit meinem eigenen Unternehmen genug zu tun.“
„Hast du nicht mal einen Freund, der dich zum Schein heiraten würde?“
„Nein. Der einzige ungebundene Mann in meinem Bekanntenkreis ist Jed Atkins, der mir ab und zu im Garten hilft“, antwortete sie und hatte immer mehr das Gefühl, in einem Albtraum gefangen zu sein. „Er ist schon siebzig, aber noch äußerst vital. Allerdings ist die Konkurrenz heftig, denn er wird von den Damen im Seniorenclub sehr umschwärmt.“
Plötzlich fing sie zu lachen an, obwohl ihr eigentlich nicht danach zumute war.
„Schon gut, May“, sagte Freddie besänftigend. „Ich bringe dich jetzt wohl besser nach Hause.“
„Hast du keine Klienten, die pro forma heiraten möchten, um eine Aufenthaltsgenehmigung in England zu bekommen?“, fragte sie, während er sie aus seinem Büro führte, sichtlich besorgt, sie könne jeden Moment hysterisch werden.
Das würde aber nicht passieren! Sie war Mary Louise Coleridge aus der alten, angesehenen Familie der Coleridges, und sie wusste sich zu benehmen. Egal, was passierte.
„Nein, damit kann ich nicht dienen“, antwortete Freddie und fügte warnend hinzu: „Wenn du so jemand findest, lass auf jeden Fall einen Ehevertrag aufsetzen, sonst musst du womöglich teuer bezahlen, um deinen Mann wieder loszuwerden.“
„Ich kann also, egal was ich mache, nur verlieren“, fasste sie zusammen, während er ihr die Tür seines Autos öffnete. „Danke, Freddie, ich möchte lieber zu Fuß nach Hause gehen. Ich brauche dringend frische Luft.“
Ohne sich zu verabschieden, machte sie sich auf den Weg. Sie musste jetzt allein sein. Und nachdenken.
Mit Coleridge House würde sie nicht nur ihr Zuhause, sondern ihre Existenzgrundlage verlieren. Ohne das Haus und die Seminarräume konnte sie keine Kurse mehr organisieren und ohne die moderne Küche nicht länger ihr handgemachtes Konfekt herstellen. Und Robbie, seit über dreißig Jahren Haushälterin und mütterliche Freundin, würde ebenfalls auf der Straße stehen.
Ich muss einen Job und eine Wohnung finden, sagte May sich. Oder einen Ehemann.
Beim Kiosk am Parktor kaufte sie sich eine Zeitung, um die Jobangebote und Wohnungsannoncen zu studieren.
Jobs gab es keine für Frauen wie sie, beinah dreißig und ohne Ausbildung. Wohnungen waren zu haben, aber zu Preisen, die einem den Atem verschlugen.
Kontaktanzeigen boomten. Vielleicht sollte sie es doch mit einem Ehemann probieren? Der war vermutlich billiger zu haben als Job oder Wohnung.
Adam blickte von dem Baby, das eingehüllt in rosa Decken im Buggy lag, zurück auf den Brief in seiner Hand.
Tut mir leid, Adam, tut mir leid, tut mir leid!
Ich weiß, ich hätte Dir von Nancie erzählen sollen, aber ich habe mich nicht getraut, weil du mich ja wieder nur ausgeschimpft hättest.
Natürlich hätte er das getan – obwohl er aus langer Erfahrung wusste, dass
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