Julia Extra Band 0332
gesagt, du würdest ihr helfen.“
„Wo ist denn deine Mutter?“, fragte May sachlich.
„Die ist nach dem Tod meines Vaters nach Spanien gezogen.“
„Ach, dann hast du ja jetzt Ruhe vor deiner Familie, nachdem du sie alle aus der Stadt geschafft hast“, sagte sie sarkastisch. „Aus den Augen, aus dem Sinn.“
Unwillkürlich verkniff er die Lippen, und nun wusste sie, dass ihr Seitenhieb gesessen hatte.
„Saffy ist bestimmt in der Nähe“, meinte May schließlich. „Sie wird wissen wollen, wie es Nancie geht. Aber ich kann mich wirklich nicht um die Kleine kümmern. Das musst du übernehmen, Adam.“
„Ich habe dir doch gesagt, dass ich morgen nach Südamerika fliege“, wandte er schroff ein.
„Kannst du die Reise nicht verschieben?“
„Unmöglich. Es geht nicht nur um Geschäftliches. Ich möchte mit Regierungsgremien und Fairtrade-Kooperativen verhandeln. Außerdem treffe ich den Präsidenten von Samindera, und dieses Treffen zu arrangieren hat Monate gedauert.“
„Das heißt also Nein“,
„Richtig. Und wenn du mir nicht hilfst, stecke ich in Schwierigkeiten, May.“
„Dann steckst du ab jetzt in Schwierigkeiten“, stellte sie klar. „Ich würde Saffy ja jederzeit gern helfen, aber …“
„… du würdest mir nicht mal helfen, wenn ich mit gebrochenem Bein vor dir auf dem Bürgersteig läge“, unterbrach er sie bitter.
„Unsinn!“ Er ahnte ja gar nicht, was sie alles für ihn getan hatte! Aber das würde sie ihm niemals verraten.
„Tut mir leid, May, dass ich dich überhaupt gefragt habe. Du musst mich für ganz schön unverschämt halten.“
„Ach, Adam, ich würde dir ja so gern helfen, aber ich stecke selber in Schwierigkeiten.“ Plötzlich liefen ihr Tränen über die Wangen, obwohl sie sich so fest vorgenommen hatte, nicht zu weinen.
„Erzähl mir davon“, sagte er sanft. „Sprich dich einfach aus.“
Er wischte ihr die Tränen aus dem Gesicht und ließ die Hand dann an ihrer Wange liegen. Seine schlanken Finger fühlten sich fest und warm an.
Sie schüttelte den Kopf, obwohl sie nichts lieber getan hätte, als sich an seine Schulter zu schmiegen und ihm alles zu sagen, was sie belastete.
„Es hat mit dem Haus zu tun, richtig? Vielleicht kann ich dir helfen“, bot er freundlich an.
„Danke, aber ich muss allein klarkommen“, lehnte sie energisch ab und ging zum Fenster. „Es ist nicht so einfach, wie mich von einem Baum zu pflücken. Übrigens sehe ich gerade, dass meine Kursteilnehmerinnen in den Seminarraum zurückgehen. Du kannst jetzt unbeobachtet weg von hier.“
Statt sich sofort zu verabschieden, wie sie erwartet hatte, kam er zu ihr und blieb hinter ihr stehen.
„Ich kann auch mit komplizierten Problemen umgehen, May.“ Sein Atem strich ihr warm über den Nacken.
„Du hattest ja viel Übung.“ Sie presste sich die Fingernägel in die Handflächen. „Bestimmt meinst du es gut, aber für mich kannst du wirklich nichts tun.“
„Stell mich auf die Probe“, forderte er sie heraus.
„Na gut!“ Sie wirbelte herum und sah ihm direkt in die Augen. „Hast du vielleicht einen Job für eine Person, die ziemlich regelmäßig ein gutes Dutzend Leute mit Essen und Unterkunft versorgt, die handgemachtes Konfekt herstellt, außerdem Betten perfekt glatt bezieht, Ziegen melkt, sich als Imkerin beschäftigt und mit einem launischen Rasenmäher umgehen kann?“
„Du brauchst einen Job?“, hakte Adam nach.
Er lächelte so selbstbewusst, als könne er ihre Welt nicht nur innerhalb der nächsten Stunde retten, sondern im Anschluss daran auch noch zwei, drei Firmen übernehmen.
„Also, wenn du einen Job suchst, May, habe ich einen für dich. Ich brauche jemand, der auf ein Baby aufpasst. Wenn du sofort anfängst, zahle ich dir einen Spitzenlohn.“
„Da bietest du mir den einen Job an, für den ich keine Ausbildung, keine Erfahrung und, was vor allem zählt, keine Genehmigung habe.“
„Genehmigung?“, wiederholte er verständnislos.
„Ja, da ich mit Nancie nicht verwandt bin, müsste ich eine Kinderbeaufsichtigungslizenz – oder heißt es Konzession? – haben. Andernfalls wäre es illegal.“
„Es braucht doch keiner zu wissen, May.“
„Ach, du schlägst also vor, ich soll mein Einkommen dem Finanzamt nicht melden? Und du glaubst, wenn hier ein Baby im Haus ist, merkt das keiner? Wo so viele Leute ein und aus gehen? Da würde doch jemand vom Jugendamt kommen, bevor ich Hoppla sagen könnte.“
„Na gut, vergiss es, May. Ich habe
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