Julia Extra Band 0332
für ein Spiel, denn sie krähte jetzt fröhlich und zappelte wild mit Armen und Beinen. Anstatt nervös zu werden, lachte er. Anscheinend war ihm gerade klar geworden, dass er es hier nicht mit einem Ärgernis, sondern einem kleinen Menschenwesen zu tun hatte.
„Bitte, Nancie, ich bin doch nur ein Mann und kenne mich nicht aus. Gib mir eine Chance“, flehte er, gespielt kläglich.
Da hielt sie plötzlich still und sah ihn aus ihren großen dunklen Augen an, als fragte sie sich, wer er war.
Vorsichtig streifte er ihr den rosa Strampelanzug ab und wirkte dabei alles andere als ungeschickt. Als er die nasse Windel wegnahm, strahlte Nancie ihn an.
„Danke, Schätzchen“, sagte er und küsste sie auf die dunklen Locken.
Das war der Moment, in dem Adam die Liebe zu seiner kleinen Nichte entdeckte. Dessen war sich May ganz sicher. Sie konnte sich auch vorstellen, wie er mit seinen eigenen Kindern umgehen würde.
Ihr wurde vor Rührung die Kehle ganz eng, und sie schluckte mühsam.
„Ich bring das mal weg“, sagte sie rasch und nahm die nasse Windel.
Es war ein guter Vorwand, sich ins Bad zu flüchten. Beim Händewaschen ließ sie sich extra viel Zeit.
„Muss ich irgendwie Puder oder Creme verwenden?“, rief Adam aus dem Zimmer.
„Keine Ahnung!“
„Schade, dass Babys nicht mit Handbuch geliefert werden“, meinte er humorvoll. „Hast du einen Computer hier oben?“
„Wozu?“
„Damit ich im Internet nachsehen kann, wie man ein Baby richtig wickelt.“
„Ach, du liebes bisschen.“ Seufzend ging May ins Schlafzimmer zurück und ließ die Hand über Nancies Po gleiten. „Alles trocken, also zieh ihr einfach die frische Windel an. Und engagier ein Kindermädchen“, fügte sie entnervt hinzu.
„Das ist leichter gesagt als getan.“
„Ich kann dir die Nummer einer verlässlichen Agentur geben“, bot sie an.
„Wieso hast ausgerechnet du die, May?“
„Weil sie auch Kranken- und Altenpflegerinnen vermitteln. In den letzten Monaten bin ich nicht mehr allein …“
„Es tut mir leid“, entschuldigte Adam sich schnell. „Das war gedankenlos von mir. Aber was eine Nanny betrifft, gibt es mehrere Probleme. Zum einen lebe ich in einem Loft ohne Trennwände. Wo soll ich ein Baby und sein Kindermädchen unterbringen?“
„Und zum anderen?“
Da er sich gerade darauf konzentrierte, die Windel zu schließen, antwortete er nicht.
Plötzlich wurde May misstrauisch. „Wann genau hast du Saffy das letzte Mal gesehen, Adam?“
„Ich bin sehr beschäftigt. Und meine Schwester versteht es, sich rar zu machen.“ Er war fertig mit dem Windelwechseln und richtete sich auf. „Vor einiger Zeit habe ich ihr eine Wohnung in Paris gekauft, aber die hat sie vermietet, wie ich inzwischen erfahren habe. Wahrscheinlich ist sie dann zu Nancies Vater gezogen.“
„Du besuchst sie also nicht regelmäßig?“
„Du weißt doch selbst, wie sie ist, May! Ich wusste nicht mal, dass Saffy schwanger ist.“
„Wer ist der Vater des Babys?“
„Ich weiß nur, dass er Claude heißt“, gestand er kleinlaut.
„Arme Saffy!“ May klang bedauernd und kritisch zugleich.
Die Kritik galt natürlich ihm!
„Sie hätte mich um Hilfe bitten können“, protestierte Adam. „Ein Anruf hätte genügt.“
„Und dann? Was wäre denn gewesen? Vermutlich hättest du ihr einen Scheck geschickt, oder?“
„Den will sie normalerweise ja auch. Glaubst du, sie ruft mich jemals an, um zu fragen, wie es mir geht?“
„Du bist stark, Adam, sie ist es nicht. Wie hat sie denn gewirkt, als sie dir das Baby gebracht hat?“, wollte May nun wissen.
„Ich muss mir die Hände waschen“, meinte er und wollte ins Bad.
„Moment!“ Sie fasste ihn beim Arm. „Was verheimlichst du mir?“
Er holte Saffys zerknitterten Brief aus der Hemdtasche und reichte ihn May, bevor er sich ins Bad flüchtete.
Sie nahm Nancie wieder auf den Arm und begann zu lesen.
„Saffy ist also auf der Flucht vor Nancies Vater“, stellte sie fest, als Adam zu ihr zurückkam. „Wie hat sie dir denn das Baby anvertraut, wenn ihr euch nicht getroffen habt?“
„Sie hat es in meinem Büro abgestellt, ohne dass jemand sie gesehen hätte. Offensichtlich beherrscht sie noch immer die Tricks, die sie sich als jugendliche Ladendiebin angeeignet hat.“
„Saffy muss völlig verzweifelt gewesen sein“, meinte sie mitleidig.
„Vermutlich. Aber nicht so verzweifelt wie ich jetzt. Ich weiß ja, dass du mit mir absolut nichts zu tun haben willst, aber sie hat
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