Julia Extra Band 0339
Resturlaub stand ihr also fast ein Monat zur Verfügung. Doch nun weilte sie bereits drei Wochen auf der Insel und hatte noch kein einziges Wort geschrieben. Ihr Kopf war wie leergefegt, sobald sie sich an den Laptop setzte. Schließlich rief sie Glenn Shepherd an und erklärte ihm, wie die Dinge lagen.
„So leid es mir tut, den Abgabetermin werde ich wohl nicht einhalten können, Glenn. Wenn Sie in der geplanten Ausgabe einen Platz für den Artikel frei halten, dann schlage ich vor, Sie …“
„Machen Sie sich deswegen keine Gedanken, Holly. Eine Bruchlandung im Busch und drei Tage Angst ums Überleben sind Sachen, über die man nicht von heute auf morgen hinwegkommt. Das Wyndham-Interview wird veröffentlicht, wenn es fertig ist, Sie stehen nicht unter Druck.“
Mittlerweile fragte sie sich, ob sie es jemals fertigbekommen würde. Vielleicht sollte sie ihre Notizen einem Kollegen übergeben, dann wäre das Ganze abgeschlossen – wenigstens dieser Teil. Doch das war unmöglich – die letzten Gespräche mit ihm existierten nicht auf Papier, nur in ihrem Kopf.
Warum beißt du nicht einfach die Zähne zusammen und bringst es hinter dich, verdammt noch mal? Vor zwei Jahren hast du das doch auch geschafft …
Ja, aber den Mann hatte sie danach gehasst – Brett könnte sie niemals hassen.
Das wurde ihr auch jetzt wieder bewusst, als sie dem Angler zuschaute. Und für einen Moment war sie wieder an der zauberhaften Lagune, in der sie nach dem langen Marsch gebadet hatten. Wo Wasserlilien an der Oberfläche dahinglitten und Vögel im Schilf nisteten. Wo sie selbst so erfolgreich geangelt hatte. Sie spürte die Wärme des Lagerfeuers, sah die Hütte vor sich, in der sie übernachtet und sich geliebt hatten, ohne ein einziges Wort zu sprechen …
Aufschluchzend wandte sie sich ab. Sie war verzweifelt. Niemals würde sie ihn vergessen! Er war für immer in ihrem Herzen, ein Teil von ihr. Wie das in so kurzer Zeit geschehen konnte, wusste sie nicht. Nur, dass sie ihn liebte – heute, morgen, den Rest ihres Lebens.
Sie merkte nicht, als es zu regnen anfing. Sie sah nicht, dass der Angler die Leine einholte und sich mit Ausrüstung und Fang auf den Heimweg machte. Als er an ihr vorbeiging, warf er ihr einen unsicheren Blick zu, aber auch das bemerkte sie nicht. Sie war für ihre Umwelt verloren, in einem Meer von Trauer und Trostlosigkeit. Innerhalb weniger Minuten war sie nass bis auf die Haut, und nach einer Weile spürte sie den kalten Wind. Erst dann setzte sie sich in Bewegung und ging nach Hause.
Ein silbergrauer Wagen parkte vor dem Bungalow. Holly erkannte ihn sofort – es war der BMW, an dessen Lenkrad sie einmal gesessen hatte. Ruckartig blieb sie stehen, und im nächsten Moment wurde die Fahrertür geöffnet, Brett stieg aus und kam ihr entgegen.
Sie sahen sich an, dann räusperte er sich. „Du bist klatschnass. Lass uns hineingehen.“
Wie betäubt zog sie den Schlüssel aus der Hosentasche. „Wa…warum bist du hier?“
„Weil ich mit dir reden muss. Oder dachtest du, du könntest einfach aus meinem Leben verschwinden?“
„Es gibt nichts mehr zu bereden, Brett.“
„Da bin ich anderer Meinung, aber erst musst du aus den nassen Sachen.“ Er nahm sie beim Arm und zog sie zur Haustür. „Wo warst du überhaupt bei diesem Wetter?“
„Nirgends, nur spazieren.“ Sie reichte ihm die Schlüssel, er öffnete die Tür und schob sie vor sich in den Flur. Dort blieb er stehen und sah sich um.
Wohnzimmer und Küche waren ein Raum, spärlich, aber sehr gemütlich möbliert. Durch die großen Fenster hatte man einen spektakulären Blick auf den grauen Pazifik, die riesigen Brecher und den Strand.
„Geh jetzt heiß duschen, ich koche inzwischen Kaffee.“
Sie rührte sich nicht vom Fleck.
„Holly?“
Sie starrte zu Boden und bemerkte die Pfütze zu ihren Füßen. „Ich … ich gehe ja schon.“ Mit abgewandtem Gesicht hastete sie zu der Tür am Ende des Raums und verschwand.
Stirnrunzelnd sah er ihr nach, dann ging er in die Küchenecke.
Zwanzig Minuten später erschien sie in einem Seidenkimono, das feuchte Haar zum Zopf geflochten. „Ich hoffe, du bist gegen Zöpfe nicht ebenso allergisch wie gegen Ohrgehänge“, sagte sie mit steifem Lächeln. „Mhm, der Kaffee riecht gut.“ Sie nahm einen Becher von der Frühstückstheke und ging damit zu einem Sessel am Fenster. Brett folgte und setzt sich ihr gegenüber.
„Nun? Hast du dich von deiner Überraschung erholt?“, fragte er und
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