Julia Extra Band 0339
der still und menschenleer unter dem Sternenhimmel lag. „Hier sind wir ungestört. Also …?“
Sie biss sich auf die Lippe. „Ja, ich habe darüber nachgedacht. Ich … ich glaube schon …“
„Du glaubst ? Das klingt nicht gerade enthusiastisch. Was hält dich zurück, Holly?“
„Ich … ich weiß nicht. Alles kam so … so schnell.“ Eindringlich sah sie ihm in die Augen. „Lass mir Zeit, Brett! Es ist so ein wichtiger Schritt im Leben. Und ich …“ Sie senkte den Kopf und schwieg.
Er betrachtete sie einen langen Moment, dann seufzte er. „Na schön, aber nur unter einer Bedingung.“
„Und die wäre?“
„Dass du mich küsst.“ Ohne eine Erlaubnis abzuwarten, schloss er sie in die Arme und presste den Mund auf ihren. Den Bruchteil einer Sekunde zögerte sie, aber dann schmiegte sie sich an ihn und erwiderte den Kuss mit gleicher Leidenschaft. Der Wunsch, Ja zu sagen, war fast übermächtig, dennoch hielt sie etwas davon ab. Was, wusste sie selbst nicht so recht.
„Willst du?“, wisperte sie, als der lange Kuss endete. „Ich meine, mir Zeit lassen?“
Er schwieg; in seinen Augen lag etwas Unergründliches. Dann nickte er. „Also gut, solange du hier bei mir bleibst. Und morgen mit auf die Hochzeit kommst.“
„Ich … ich …“
„Oder muss ich alle Zugeständnisse machen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Das wäre unfair. Also gut, ich begleite dich. Aber jetzt kehren wir besser in den Saal zurück, sonst kommen deine Geschwister noch auf falsche Ideen.“
„Du meinst, sie könnten denken, dass ich mit dir durchgebrannt bin?“ Flüchtig lächelte er. „Ginge es bei dieser Veranstaltung nicht um meinen Bruder, würde ich genau das tun, glaub mir.“
Holly schaute ihn an und fand, dass er selbst im Smoking etwas von einem Abenteurer hatte. Von einem Piraten, der eine Frau über die Schulter wirft und auf eine einsame Insel entführt … Unwillkürlich erbebte sie.
„Ist dir kalt?“
„Nein. Und jetzt möchte ich mich irgendwo wieder herrichten, so kann ich nicht unter Menschen gehen. Ich sehe aus, als hätte ich …“
„Als hättest du dich ausgiebig geküsst. Ich finde, es steht dir.“ Er schmunzelte.
Hand in Hand gingen sie zurück zum Hotel, und Holly machte sich auf die Suche nach den Damentoiletten. Dabei begegnete sie Natascha Hewson.
Beide blieben stehen. „Falls Sie die Toiletten suchen … Dort geht es lang.“ Mit dem Daumen wies sie auf die Tür am Ende des Gangs.
„Vielen Dank …“ Holly verstummte ein wenig ratlos.
„Glauben Sie wirklich, dass Sie ihn halten können? Dass er für Sie seinen geliebten Dschungel aufgeben wird, mit allem, woran ihm gelegen ist? Oder haben Sie vor, ihn auf seinen Expeditionen zu begleiten? An Ihrer Stelle würde ich mir das gut überlegen.“
„Ich … ich weiß nicht, wovon Sie reden.“
„Brett Wyndham ist ein Abenteurer. Ein einsamer Wolf, wie man so schön sagt. Hinter all seinem Charme und Charisma verbirgt sich ein Mann, der die Gefahr nicht nur liebt, sondern auch sucht.“
Holly blinzelte. „Natascha …“ Sie schluckte. „Haben Sie die Hoffnung, ihn zurückzugewinnen?“
Die junge Frau hob die schönen Schultern. „Früher oder später kommt der Tag, an dem auch ein einsamer Wolf eine Wölfin braucht. Und die werde ich sein, darauf können Sie Gift nehmen.“ Ein arrogantes kleines Lächeln umspielte ihre Lippen, dann rauschte sie davon.
Zum Glück war der Waschraum leer. Mit bebenden Fingern zog Holly die Tür hinter sich zu, dann betrachtete sie ihr Spiegelbild. In dem bleichen Gesicht wirkten die Augen übergroß; sie sah aus, als wäre sie einem Gespenst begegnet. So gut es ging, brachte sie Ordnung in die wirren Locken, dann wusch sie die Hände und lehnte sich an die Wand.
Wissend oder unwissend, Natascha hatte den Kern des Problems berührt. War Brett wirklich der Mann, den sie beschrieb? Ein einsamer Wolf? Er selbst hatte angedeutet, dass er sein jetziges Leben nie ganz aufgeben würde. Vielleicht war das die dunkle Seite, die sie vermutete. Warum hatte er sie dann gebeten, ihn zu heiraten? Sah er in ihr nicht die Seelengefährtin, sondern lediglich eine passende Gefährtin? Eine Herrin für Haywire? Die Frau, mit der er die nächste Wyndham-Generation sicherstellen konnte?
Der Gedanke schnitt ihr ins Herz, aber er war nicht der einzige Schock. Wenn Natascha die Wahrheit sagte, dann war zwischen Brett und ihr doch nicht alles zu Ende. Albtraumhaft stieg Vergangenes vor Holly auf – die
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