Julia Extra Band 0339
nicht. Das ist eine Frage des Prinzips, und wir Hathoways stehen zu unseren Prinzipien.“
Es brauchte noch weitere zehn Minuten fruchtloser Anstrengungen, bis Nate endlich kapitulierte. Mit einem resignierten Seufzer zog er den eigens zu diesem Zweck mitgebrachten Apfel aus der Tasche und wedelte damit vor Happys Maul herum.
Das Pony, das offenbar ein kleines Nickerchen eingelegt hatte, öffnete träge ein Auge und sah den Apfel. Dann machte es unvermittelt einen Satz nach vorn.
„Gieriger kleiner Bastard …“ Blitzschnell wich Nate nach hinten aus und brach dabei prompt in eine Schneewehe ein.
Morgan heulte vor Lachen auf, als das übergewichtige Tier mit ausgestrecktem Hals vorwärts schoss, um an den Apfel zu kommen. Der Schlitten mit seinen beiden kreischenden Insassinnen holperte gefährlich schwankend hinter ihm her, während Nate sich mit einer gekonnten Seitwärtsrolle in Sicherheit brachte.
Als Happy nach einigen weiteren mühsam erkämpften Metern die Scheune witterte, verfiel er umgehend in einen schwerfälligen Galopp, wodurch Nate gezwungen war, das letzte Stück wie ein Verrückter hinter ihm herzusprinten.
„Gib ihm jetzt den Apfel, Daddy!“, verlangte Ace, als sie endlich das Scheunentor erreicht hatten.
Noch immer schwer um Atem ringend, führte Nate den Befehl seiner Tochter aus, dann half er Morgan mit einem reumütigen Grinsen aus dem Schlitten. „Wie ich sehe, habe ich dich ganz gut unterhalten“, stellte er fest und sah ihr dabei so intensiv in die Augen, dass sie rot wie ein Schulmädchen wurde. „Ich mag es, wenn du lachst, Morgan McGuire.“
„Ich mag es auch“, erwiderte sie betont forsch, um ihre plötzliche Befangenheit zu überspielen. „Aber wenn ich nicht sofort ein stilles Örtchen aufsuchen kann, wird jedes weitere Lachen in einem Desaster enden.“
Nate bat Ace, sie zum Haus hinüberzubringen, und Morgan folgte ihr eilig. Noch bevor sie die Verandastufen erklommen hatten, wurde die Tür von einer hübschen brünetten Frau in einem knallroten Pullover geöffnet.
„Tante Molly!“
„Ace, mein Schatz, du musst ja halb erfroren sein!“ Liebevoll umarmte Molly ihre Nichte. Dann wandte sie sich Morgan zu, die unruhig von einem Fuß auf den anderen trat, und erkannte deren Notlage sofort. „Gleich die erste Tür links“, sagte sie und fügte lachend hinzu: „Ich bin auch schon des Öfteren in diesem Schlitten durchgerüttelt worden.“
Als Morgan sich einige Minuten später wieder zu ihnen gesellte, erkundigte Molly sich gerade, wie Happy sich an diesem Tag benommen hatte.
„Er war für Daddy extra unausstehlich“, informierte Ace sie grinsend.
„Gut so“, meinte Molly trocken, worauf sie alle drei gleichzeitig losprusteten.
Morgans heimeliges Gefühl, ein Teil dieser verschworenen Gemeinschaft zu sein, verstärkte sich. „Ich bin Morgan McGuire, Aces Lehrerin“, stellte sie sich vor, worauf es in Mollys Augen kurz aufblitzte.
„Ah, die berühmte Mrs McGuire!“
„Miss“, korrigierte Morgan sie lächelnd. „Ich habe schon hundert Mal versucht, es den Kids klarzumachen, aber irgendwann habe ich es aufgegeben.“
„Eine Miss also …“ Molly warf einen raschen Blick zur Scheune, wo Nate gerade dem Pony das Geschirr abnahm. Als sie Morgan wieder ansah, lag ein nachdenklicher Ausdruck in ihren Augen.
Morgan war froh, dass es bei dem Blick blieb, denn was hätte sie auf Mollys unausgesprochene Frage auch antworten sollen? Dass zwischen ihr und Nate etwas lief, war nicht zu leugnen, aber dieses „Etwas“ war zu abstrakt, um es in klare Worte zu fassen. Waren sie im Begriff, Freunde zu werden, oder war es mehr? Morgan glaubte, dass es mehr war, aber sah Nate das genauso?
„Aces Mutter, also Nates Frau Cindy, war meine Schwester“, erklärte Molly, als sie Morgan in die Küche führte. Es war ein heikler Moment, aber mit ihrer unbefangenen Art gelang es Molly, ihm jede Peinlichkeit zu nehmen.
„Wir lieben Nate sehr und wünschen uns von Herzen, dass er wieder wie früher an unserem Leben teilnimmt“, fügte sie mit einem etwas wehmütigen Lächeln hinzu. „Aber manchmal kommt es uns so vor, als hätten wir sie alle drei verloren.“
„Alle drei?“, wiederholte Morgan verständnislos.
„Ach, das ist ein lange Geschichte. Sagen Sie mir lieber, was mit Nate passiert ist. Als ich vorhin aus dem Küchenfenster schaute, habe ich ihn tatsächlich lachen sehen, was in den letzten zwei Jahren kaum noch vorgekommen ist. Besonders dann nicht, wenn
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