Julia Extra Band 0339
eine Wunschvorstellung hineinsteigert, die nichts mit der Realität zu tun hat.“
Es war die erste disharmonische Note an diesem ansonsten perfekten Tag. Morgan wechselte rasch das Thema, aber die unbeschwerte Stimmung, die sie so genossen hatte, wollte sich nicht wieder einstellen.
„Ich finde es schön, dass du noch so engen Kontakt mit Cindys Familie hast“, bemerkte sie, als sie eine Stunde später durch die verschneite Nacht zurückfuhren.
Nate warf ihr einen überraschten Blick zu. „Seit dem Tag, an dem ich Cindy geheiratet habe, ist es meine Familie, und daran wird sich auch nichts ändern.“
Die Kompromisslosigkeit seiner Worte ließ Morgan erschauern. Aber hatte sie nicht von Anfang an gewusst, dass er kein Mann war, der halbe Sachen machte? Im Gegensatz zu ihrer eigenen Familie, in der sich die Loyalitäten mit jeder neuen Liaison verschoben, repräsentierte Nate all das, was sie bei ihren Eltern so schmerzlich vermisst hatte. Ebenso, wie der heutige Abend für das stand, wovon sie immer geträumt hatte: gemütliche Familienzusammenkünfte, gegenseitige Verbundenheit und die Gewissheit, dass es Dinge gab, die nicht vergänglich waren.
„Ich finde es trotzdem schön“, sagte sie leise.
„Wir haben bereits Cindy verloren, und es hätte alles noch schlimmer gemacht, wenn wir einander auch noch verloren hätten. Ace ist Cindys Vermächtnis an die Zukunft. Ich könnte sie niemals von der Schwester ihrer Mutter fernhalten.“
„Als meine Eltern sich scheiden ließen, ist die ganze väterliche Seite der Familie praktisch von heute auf morgen aus meiner Welt verschwunden.“
„Du hast gar keinen Kontakt mehr zu deinem Vater?“
Morgan schüttelte den Kopf. „Anfangs noch hin und wieder, aber dann ist er wegen eines Jobs umgezogen und hat wieder geheiratet. Von da an bekam ich nur noch Postkarten und an meinen Geburtstagen etwas Geld. Aber immerhin hat er seine Unterhaltszahlungen pünktlich geleistet“, fügte sie mit einem freudlosen Lächeln hinzu.
„Wie edel von ihm“, spottete Nate. „Ich denke allerdings, dass Vaterschaft ein bisschen mehr bedeutet, als seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.“
„Wofür du ein leuchtendes Beispiel bist.“
„Sagt das dieselbe Frau, die mich wegen meiner väterlichen Versäumnisse mit zahllosen Nachrichten bombardiert hat?“
„Du hast schon eine Weile keine mehr bekommen.“
„Stimmt“, bestätigte er mit gespieltem Bedauern. „Irgendwie vermisse ich sie direkt.“
„Ich glaube dir kein Wort.“
Sie waren inzwischen vor Morgans Haus vorgefahren, aber keiner von ihnen machte Anstalten auszusteigen. „Es war falsch, wie dein Vater sich verhalten hat“, sagte Nate nach einem längeren Schweigen. „Und traurig.“
Das war noch etwas, das Morgan an Nate Hathoway mochte: Er lebte nach einem klaren Wertesystem. Er wusste, was richtig und was falsch war, und war in diesem Punkt zu keinerlei Zugeständnissen bereit.
„Es gibt da etwas, das ich dich gern fragen würde, Nate“, hob sie zögernd an. „Bitte sag mir, wenn es mich nichts angeht, aber ist damals außer deiner Frau noch jemand ums Leben gekommen? Molly erwähnte etwas in der Richtung.“
Eine Weile schien es, als würde er nicht antworten. Schließlich sagte er schroff: „Wir sind zu dritt aufgewachsen. Cindy, David und ich. Cindy und David waren ineinander verliebt, seit sie zwölf waren. Ich meine, wirklich verliebt, so richtig Hals über Kopf. Manche wachsen aus ihrer Jugendliebe heraus, andere nicht. Die beiden taten es nicht.“
Er verfiel erneut in ein brütendes Schweigen, bevor er fortfuhr: „David trat dann in die Armee ein. Kurz vor seiner Abreise musste ich ihm versprechen, dass ich mich um Cindy kümmern würde, falls ihm etwas passierte.“
„Und es ist etwas passiert“, murmelte Morgan.
„Ja“, bestätigte er rau. „David wurde im Irak getötet. Und ich habe mich wie versprochen um Cindy gekümmert.“
Sie wollte ihn fragen, ob er sie geliebt hatte, aber als sie den Schmerz in seinem Gesicht sah, brachte sie kein Wort heraus. Natürlich hatte er sie geliebt. Ebenso wie er David geliebt hatte. Sie waren seine engsten Freunde gewesen, und er hatte sie beide verloren.
„Es ist spät geworden“, sagte Nate und öffnete dabei gleichzeitig die Fahrertür, womit das Gespräch eindeutig beendet war. Er begleitete Morgan noch bis an die Tür und wartete, bis sie aufgeschlossen hatte.
„Ich danke dir für diesen wunderschönen Tag, Nate.“
„Es
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