Julia Extra Band 0339
zu seinem Vater.
Kalila kam hinzu. Adan hatte darauf bestanden, dass sie einen Stuhl bekam und nicht wie die anderen auf einer Matte auf dem Boden sitzen musste. Als er der alten Frau vorsichtig auf den Stuhl half, krampfte sich erneut Isabellas Herz zusammen.
Dann kletterte Rafik seinem Vater auf den Schoß und begann eifrig zu brabbeln. Adan hörte aufmerksam zu, dann nahm er seinen Sohn auf den Arm und kitzelte ihn, sodass der kleine Junge vor Lachen quietschte.
Widerstreitende Gefühle erfüllten Isabella: Sie war glücklich und gleichzeitig traurig, hoffnungsvoll und entmutigt, verwirrt und frustriert.
„Singen, Papa!“, rief Rafik.
„Du möchtest, dass Isabella singt? Dann bitte sie doch darum.“
Rafik wandte sich zu ihr um und kaute gedankenvoll auf seinem Zeigefinger, während er sie mit seinen dunklen Augen ansah, die denen seines Vaters so ähnelten.
„Bella singen?“
Isabellas Herz wurde ganz groß und weit vor lauter Liebe, weil er sie zum ersten Mal mit ihrem Namen angesprochen hatte.
„Natürlich singe ich für dich, mein Schatz“, erwiderte sie.
„Setz dich zu Isabella“, forderte Adan Rafik auf. Dieser lief zu ihr, ließ sich neben ihr auf die Matte plumpsen und blickte mit seinen wunderschönen Augen zu ihr auf.
Sie begann mit einer langsamen, sanften Melodie, die sie auf Maui gelernt hatte, und sang anschließend mehrere jahfarische Lieder. Wie gebannt sah Rafik sie an, bis ihm schließlich die Augenlider schwer wurden. Als er leicht zu schwanken begann, zog Isabella ihn an sich, ohne mit dem Singen aufzuhören.
Plötzlich merkte sie, dass Adan sie musterte. Seine dunklen Augen wirkten so feurig wie immer, doch zum ersten Mal dachte sie nicht daran, wie sehr er sie verachtete – sondern daran, wie es sich angefühlt hatte, ihn zu küssen, wie er sie in den Armen gehalten und ihr gesagt hatte, dass er sie begehrte …
War es vielleicht doch möglich, dass sie es gemeinsam schafften? Ein merkwürdiger Gedanke, denn noch vor Kurzem hatte sie gegenüber einer der Kellnerinnen in der Bar auf Hawaii geschworen, niemals ihr Leben mit einem Mann zu verbringen, der sie nicht liebte … Da hatte sie jedoch noch nicht gewusst, dass sie verheiratet war und mit ihrem Mann ein Kind hatte.
Als Isabella Rafik durch die weichen Locken strich, wurde ihr bewusst, dass sie für ihren Sohn alles tun und alles aufgeben würde. Ein seltsames Gefühl, doch es war die Wahrheit.
Sie sang jetzt leiser, weil Rafiks Augen geschlossen blieben und er tief und regelmäßig atmete. Als Adan ihr zunickte, ließ sie den letzten Ton verklingen. Dann hörte man nur noch das leise Zischen der Gaslaternen und das nächtliche Zirpen der Grillen. Gelegentlich zog das Heulen eines Jaguars aus den Dünen herüber.
Kalila rutschte ein wenig unruhig auf ihrem Stuhl zur Seite. Isabella hätte zwar am liebsten noch ewig weiter so mit Rafik dagesessen, doch sie wollte der alten Frau nicht zu viel zumuten.
„Wir sollten ihn jetzt vielleicht ins Bett bringen“, sagte sie deshalb.
„Da hast du wohl recht.“ Adan stand auf und nahm ihr Rafik ab.
Diesmal folgte Isabella ihm bis ins ganz in Blau und Weiß gehaltene Kinderzimmer, in dem es natürlich Unmengen von Spielzeug gab. In dem angrenzenden Raum war Kalila untergebracht, die nun liebevoll und fürsorglich von Adan aufgefordert wurde, schlafen zu gehen.
Dann legte er Rafik vorsichtig in sein Bettchen, strich ihm übers Haar und gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Stirn.
Isabella traten Tränen in die Augen. Sie wusste, dass es im Leben jedes Menschen etwas gab, das stärker war als alles andere. Und bei Adan war dies die Liebe zu seinem Sohn.
Nun wandte er sich um. „Wenn du möchtest …“
Aber so gern Isabella ihrem Sohn einen Gutenachtkuss gegeben hätte, sie wollte ihn nicht stören. Noch kannte sie sich zu wenig aus mit all diesen Dingen. Sie musste einfach Geduld haben.
Adan nahm ihre Hand und ging voran auf die Terrasse, wo auf einem kleinen Tisch für zwei Kaffee serviert worden war. Isabella sank auf den Stuhl, den er ihr hinschob. Seine Nähe ließ ihr Herz heftig schlagen.
Er nahm ihr gegenüber Platz, trank Kaffee und ließ den Blick über die im Dunkeln liegenden Gartenanlagen wandern. „Es ist so friedlich hier“, sagte er nach einer Weile. „Wenn ich könnte, würde ich mehrere Wochen hier bleiben. Ich bin nun seit über einem Jahr Thronfolger und muss mich noch immer daran gewöhnen. Es ist eine große Aufgabe, für ein ganzes Land
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