Julia Extra Band 0342
konnte sich also noch nicht einmal an ihren Namen erinnern! Diese Erkenntnis versetzte ihr einen so schmerzhaften Stich, dass sie ihren Entschluss zu gehen endgültig besiegelte.
„Niemand“, flüsterte sie und zog die Tür hinter sich zu.
Als Jonas das Einschnappen des Türschlosses hörte, ließ er sich fluchend zurück auf die Matratze fallen. Sich den Schlaf aus den Augen reibend, versuchte er zu rekapitulieren, was eigentlich passiert war.
Die Erinnerung traf ihn mit der Wucht eines Vorschlaghammers. Gut, dass er sich gerade in der Horizontalen befand.
Serena. Seine Frau.
Er hatte zwar nur einen flüchtigen Blick auf ihr blasses Gesicht werfen können, als sie die Tür schloss, doch es war offensichtlich gewesen, dass sie das Zimmer nicht verlassen hatte, um Kaffee und Bagels zu holen. Nein, sie hatte eindeutig die Flucht ergriffen.
Jonas wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Er war gerade so verwirrt, dass er sowieso keinen Durchblick mehr hatte.
Er hatte also eine Frau geheiratet, die er erst ein paar Stunden lang kannte. Was war bloß in ihn gefahren? Eigentlich war er sonst doch immer so vernünftig. Wog vor wichtigen Entscheidungen alle Vor- und Nachteile ab und plante jeden Schritt voraus. Und das keineswegs nur beruflich.
Bis zu letzter Nacht, als er ins Bellagio marschiert war, Serena gesehen und alles andere um sich herum vergessen hatte. So etwas war ihm bei einer anderen Frau noch nie passiert. Aber so aufregend und ungeheuerlich die letzte Nacht auch gewesen war, so verwirrt und verletzlich fühlte er sich jetzt.
Das Klingeln seines Handys riss ihn aus seinen Gedanken. Das gedämpfte Geräusch schien aus seiner zerknüllten Hose zu kommen.
„Benjamin am Apparat“, sagte er, nachdem er das Handy aus der Tasche gezogen hatte.
„Wo zum Teufel stecken Sie?“, fragte Jameson Culver anstelle einer Begrüßung. „Wir wollten uns doch gleich heute Morgen in der Hauptzentrale treffen, um Ihre morgigen Radiobeiträge noch einmal durchzugehen. Und jetzt ist es schon nach neun.“
„Ach so, ja … tut mir leid. Ich wurde … aufgehalten.“
Das ist noch nicht einmal gelogen, dachte Jonas, als ihm wieder einfiel, was Serena in der Nacht zuvor mit seiner Krawatte angestellt hatte.
„Dann machen Sie sich gefälligst frei“, polterte Jameson. „Diese Beiträge sind wichtig, Jonas!“
Als wüsste er das nicht selbst. „Ich kenne meinen Text in- und auswendig“, wandte Jonas ein.
„Aber der Ton macht die Musik. Jetzt, wo publik geworden ist, dass der ehemalige Bürgermeister Cloverfield Sie unterstützt, wird Davenport bestimmt alles tun, um Sie in Misskredit zu bringen. Er wird Ihnen Ihre Jugend und Ihre mangelnden politischen Erfahrungen ankreiden und Ihnen unterstellen, Vorteile aus Ihrem guten Namen zu ziehen. Sie müssen unbedingt selbstsicher und souverän rüberkommen.“
„Bei dieser Wahl geht es ausschließlich um mich.“ Jonas hatte seinen Vater bisher so gut es ging aus seiner Kampagne herausgehalten. Er hatte es satt, immer nur in seinem Schatten zu stehen. Zumindest dieses eine Mal wollte er es aus eigener Kraft schaffen.
„Bitten Sie Corbin doch, einen Werbespot mit Ihnen zu drehen. Seine öffentliche Unterstützung könnte ein paar Wähler auf Ihre Seite ziehen“, schlug Jameson vor.
„Auf gar keinen Fall!“
„Laut Meinungsumfragen haben Sie einen kleinen Vorsprung, aber das Ergebnis steht auf Messers Schneide.“
„Das ist mir bewusst“, antwortete Jonas scharf.
Jameson ließ sich nicht beirren. „Menschen die Hände zu schütteln und Babys zu küssen, reicht einfach nicht, Jonas. Der Name Ihres Vaters ist Gold wert.“
„Trotzdem, es bleibt bei meinem Nein.“
Jonas’ Wahlkampfmanager seufzte dramatisch auf. „Na schön, aber vergessen Sie nicht, dass Wähler Gewohnheitstiere sind. Sie wählen meistens das, was sie schon immer gewählt haben, auch wenn sie angeblich einen Wechsel wollen. Und Sie sind noch Neuling, Jonas.“
Jonas’ Blick fiel auf einen weißen Briefumschlag in seinem Schuh. Sein Magen krampfte sich unwillkürlich zusammen.
Er beendete das Telefonat und beschloss, sich zunächst anzuziehen. Unter seinem Hemd entdeckte er einen lavendelfarbenen Spitzen-BH. Sofort musste er wieder daran denken, wie er ihn Serena ausgezogen hatte und ihre …
Stöhnend schloss er die Augen und ließ sich auf die Bettkante sinken, landete jedoch stattdessen auf dem Fußboden. War ja klar, dachte er. Er war offensichtlich total aus dem
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