Julia Extra Band 0342
soll meine Haare lang lassen. Deshalb habe ich die Friseurin gebeten, alles abzuschneiden. Zuerst geriet ich in Panik, als sie es tat, aber inzwischen habe ich mich an die kurzen Haare gewöhnt. Sie gefallen mir jetzt sogar besser. Obwohl ich manchmal immer noch erschrecke, wenn ich in den Spiegel schaue.“
Tristan musterte sie kritisch. „Die langen Haare standen dir gut, aber diese Frisur betont dein Gesicht besser. Du solltest ein Bild von dir machen lassen.“
„Ich lasse mich nicht gern fotografieren.“
„Ich weiß.“ Er grinste schief, als er sich an die Fotosession erinnerte. „Trotzdem habe ich ein paar gute Aufnahmen von dir gemacht.“
„Die habe ich nie gesehen.“
„Ich mache dir ein paar Abzüge.“
Jayne verschränkte die Arme. „Ich weiß nicht …“
„Schlechte Erinnerungen?“, vermutete Tristan.
„Ja. Tut mir leid. Aber danke für das Angebot.“ Sie nahm einen Keks. Schokolade war das beste Mittel gegen unliebsame Gedanken.
Tristan schien zu ahnen, was sie dachte. „Wer weiß, wofür es gut ist, dass es so gekommen ist“, meinte er.
Sie nickte kauend.
„Du wirst schon jemand anderen finden“, tröstete er sie. „Einen besseren.“
Jayne verschluckte sich und griff hustend nach ihrem Glas. Die Vorstellung, wieder auf dem Heiratsmarkt zu sein, war ungefähr so attraktiv wie eine Lebensmittelvergiftung. Ein Jahr Abstinenz nach einer gelösten Verlobung erschien ihr ein durchaus angemessener Zeitraum, um ihr Selbstwertgefühl zurückzugewinnen, die richtigen Entscheidungen zu treffen und ihrer Urteilskraft erneut zu vertrauen.
Und etwas Gutes hatte die geplatzte Verlobung bereits gebracht: Auf dem Wochenendausflug, den ihre drei Freundinnen mit ihr gemacht hatten, um sie abzulenken, hatten Molly, Alex und Serena die Liebe ihres Lebens gefunden, ohne dass sie nach dem „Richtigen“ gesucht hätten. „Ich bin nicht auf der Suche“, versicherte Jayne ihm fast trotzig.
„Irgendwie ist doch jeder auf der Suche“, widersprach er.
„Du auch?“ Jayne waren die Worte herausgeschlüpft, ehe sie darüber nachdenken konnte.
Tristan stellte seinen Eistee ab. „Nein“, erwiderte er knapp.
Offenbar war er doch nicht so romantisch. Angesichts seiner langen Freundschaft mit Rich eigentlich nicht überraschend. Ein wahrer Romantiker würde das Verhalten eines Verräters, selbst wenn es sein bester Freund war, nicht stillschweigend dulden. „Das klingt ein wenig … verbittert.“
„Nicht verbittert. Nur geläutert.“ Er starrte auf sein Glas. „Ich habe es mit der Ehe versucht. Es hat nicht geklappt.“
Sie beugte sich zu ihm hinüber. „Du warst verheiratet?“
Er nickte. „Überrascht?“
„Und wie“, stieß sie hervor. „Du bist gar nicht der Typ zum Heiraten.“ Wie mochte die Frau gewesen sein, mit der er vor den Altar getreten war? fragte sie sich. Vermutlich hatte sie fantastisch ausgesehen. Wie ein Model.
„Das wusste ich auch. Trotzdem habe ich gehofft, dass es klappt.“
Wie so viele Männer. Ihr Vater gehörte auch dazu. Er hatte aber auch nichts unternommen, um seine Ehe zu retten. Jayne erinnerte sich noch an die nächtlichen Streitereien ihrer Eltern. Trotzdem hätte sie es nie für möglich gehalten, dass er eines Tages seine Koffer packen und nie mehr von sich hören lassen würde. „Lass mich raten – sie hatte kein Verständnis für dich?“
Tristan lachte. „Nein, so war es nicht. Ich übernehme die volle Verantwortung für das Scheitern meiner Ehe.“
Seine Worte berührten Jayne tief. Ihr Vater hätte sein Versagen niemals zugegeben. Er hatte stets ihre Mutter verantwortlich gemacht. Möge sie in Frieden ruhen. „Ist bestimmt nicht leicht, so etwas zuzugeben.“
„Ich bin nur ehrlich.“
„Finde ich gut“, entgegnete sie. „Ehrlichkeit findet man heutzutage nur selten. Das hast du ja selbst gesagt.“
Was sie Tristan MacGregor nie zugetraut hätte.
„Warst du schon mal verheiratet?“, wollte er wissen.
„Nein. Meine Eltern haben sich scheiden lassen. Deshalb wollte ich ganz sichergehen und nicht Hals über Kopf in die Ehe stürzen.“
„Bis du Rich kennengelernt hast.“
Sie nickte. „Ich habe nicht auf meine innere Stimme gehört, sondern alles nur durch die rosarote Brille gesehen. Das passiert mir nicht noch einmal.“
Jayne betrachtete den Tisch. Auf dem Teller waren nur noch ein paar Krümel zurückgeblieben. Ihr Glas war leer; Tristans noch zu einem Viertel gefüllt. Inzwischen dürfte er sich davon
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