Julia Extra Band 0342
„Ich kann das Geschreibsel von Vorschülern entziffern. Und das ist … vorsichtig ausgedrückt, kreativ. Immerhin lernen sie gerade erst, Buchstaben zu schreiben. Da kann ich deins auch lesen.“
Er grinste sie an. „Du vergleichst mich mit einem Vorschüler?“
Sie erwiderte sein Lächeln. Etwas in ihm, das er in den letzten beiden Monaten erstickt zu haben glaubte, erwachte wieder zum Leben.
„Wenn die Handschrift diese Vermutung erlaubt.“
Roy räusperte sich. „Hey, Jerome, ich glaube, es ist Zeit für eine Kaffeepause. Was meinst du?“
Jerome grummelte nur und arbeitete weiter. Roy beugte sich zu ihm und klatschte ihm auf die Schulter.
„Jerome, Alter. Kaffee.“
Jerome blickte auf, sah Roy an. Dann weiteten sich seine Augen und er blickte erst zu Linc, dann zu Molly.
„Oh, Kaffee. Ja klar. Eine Tasse wäre jetzt nicht schlecht.“
Die beiden Männer hätten sich nicht plumper verhalten, hätten sie ihre Gedanken auf eine Plakatwand geschrieben. Sie eilten aus dem Zimmer und ließen Linc und Molly alleine.
Molly hatte ihre Aufmerksamkeit auf Lincs Anmerkungen gerichtet, sodass sie den Abgang der beiden kaum mitbekam. Sie saß noch immer auf der Kante des Schreibtisches, sodass ihr blumengemusterter Rock bis knapp über ihre Knie gewandert war.
Sie trug flache Schuhe und ein kurzärmeliges rosafarbenes Shirt mit züchtigem Ausschnitt. Aber da Linc wusste, dass sich unter der harmlosen Fassade der Lehrerin eine sehr aufregende Seite verbarg, machte es auf ihn einen verspielten und verführerischen Eindruck.
Er schüttelte den Kopf. Die ständigen Gedanken an diese Nacht taten ihm nicht gut. Ganz und gar nicht.
„Also“, sagte er und zwang sich dazu, sich auf den Bildschirm zu konzentrieren. „Welche Richtung schwebt dir so vor?“
Sie legte das Notizbuch beiseite.
„Nun, ich weiß, dass meine Schüler Erkundungsaufgaben mögen. Dinge, bei denen sie nach etwas suchen müssen und dann etwas darüber lernen. Also haben wir an eine Art Tier-Suchspiel gedacht. So etwas wie das klassische Memory. Hier!“
Sie deutete auf den Bildschirm mit der Startseite, auf der einige unfertige Symbole platziert worden waren.
„Und wenn sie dann zum Beispiel die Koala-Bären im Baum aufgestöbert haben, kommen sie ins nächste Level, das ein interaktives Lernspiel über Koala-Bären ist.“
Linc nickte. „Tolle Idee. Eine Belohnung für das Lösen des ersten Spiels. Und zwar eine, die weiteres Lernen beinhaltet.“
„Genau. So als würde man ein Eis dafür bekommen, dass man die Keksdose gefunden hat. Was ich definitiv als Belohnung verstehe.“
Er lachte. „Das gefällt mir. Wir sollten das für die Werbeprospekte benutzen.“
Er glitt auf den Stuhl neben ihr und atmete dabei den Duft ihres Parfüms ein. Seine Gedanken wirbelten zurück zu jenem Moment, in dem er ihren Nacken geküsst, ihre Haut geschmeckt hatte.
Jetzt konzentrier dich mal, Linc.
Sie rutschte in seine Richtung, und dass die Lücke zwischen ihnen zusammenschrumpfte, verstärkte nur noch seine Wahrnehmung von ihr.
„Erzähl mir mehr darüber, was du dir mit dem Programm so vorgestellt hast“, sagte sie.
Er suchte nach einer Antwort auf ihre Frage und hatte Mühe, an etwas zu denken, das nicht mit ihr und dem Bett im Bellagio zu tun hatte.
„Linc?“
Konzentrier dich auf das Geschäft. Auf Zahlen.
„Äh, Software, die einen beträchtlichen Anteil des Marktes für Siebenjährige abdecken wird“, sagte er. „Darüber hinaus den Grundschulmarkt. Etwas, das die natürliche Neugier von Kindern kombiniert mit …“
„Ich meinte, für dich persönlich.“
Er hielt inne. „Persönlich?“
Sie nickte, dann beugte sie sich näher an ihn heran. Neugierig. Forschend.
„Es ist dein Projekt, Linc. Damit das auch alles klappt, muss ich …“ Sie hielt kurz inne, setzte dann noch einmal an. „Das Team braucht deinen Beitrag dazu.“
Sie nahm das Notizbuch und blätterte ein paar Seiten zurück.
„Hier zum Beispiel schreibst du über ein Spiel, das du immer mit deinem Bruder gespielt hast. Ich finde, dass sich das sehr lustig anhört und dass wir es in die Software einbauen könnten. Wie hieß es noch?“
Sie ließ ihren Finger über die Zeilen wandern.
„Irgendein Tiername … Wasserschlangen.“
Die Erinnerung traf ihn mit voller Wucht.
Marcus und er im Garten, einer von ihnen mit einem Wasserschlauch in der Hand, während der andere versuchte, den Spritzern auszuweichen. Manchmal machten auch ein paar Jungs aus der
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