Julia Extra Band 0342
und ihm war klar geworden, dass es besser für ihn war, wenn er an seinem angestammten Platz blieb: hinter seinem Schreibtisch.
Doch jedes Mal wenn er in Mollys tiefe grüne Augen blickte, vergaß er all die Gründe für diesen Vorsatz.
„Wo sind wir?“, fragte Molly, als das Taxi am Straßenrand hielt.
„Es ist eine Anlage, die meinem Freund Harry gehört. Er hat es vor ein paar Jahren eröffnet. Es ist keine typische Touristenattraktion von Las Vegas. Ich dachte mir, es gefällt dir vielleicht.“
Linc deutete auf das Schild über einer leuchtend blauen Tür. Molly konnte es im Licht der Außenbeleuchtung lesen.
Harry’s Unterwasserwelt:
Faszination und Nervenkitzel garantiert.
„Unterwasserwelt?“, fragte Molly. „Wir gehen jetzt aber hoffentlich nicht tauchen?“
Linc lachte. „Nein, ganz so abenteuerlich wird es nicht. Es gibt nur viele interessante Fische. Und einen interessanten Besitzer.“
„Ein Aquarium?“
Linc zuckte die Achseln. „So etwas Ähnliches. Harry hat eine sehr spezielle Art von Humor. Ich denke, es wird dir gefallen.“
Molly lächelte und wunderte sich über Lincs Wahl ihres Ausflugsziels. Von allen möglichen Orten, die er hätte vorschlagen können, mit diesem hätte sie nicht gerechnet. Wieder einmal hatte Lincoln Curtis sie überrascht.
Bevor Molly weitere Fragen stellen konnte, hatte er sie auch schon in die überfüllte Lobby geführt und zog sie bis zu dem gläsernen Ticket-Schalter, der von Dutzenden Comic-Meeresfiguren eingerahmt wurde.
„Harry, hast du noch Platz für zwei weitere Besucher?“
Der runzelige alte Mann hinter dem Ticket-Schalter, der gerade Wechselgeld zählte, sah auf und grinste Linc breit an.
„Linc! Lange nicht gesehen! Ich habe schon befürchtet, dass ich dich nie hier reinbekomme, um dir meine neuen Leoparden-Haie zu zeigen.“
Linc lachte. „Ich bin zurzeit etwas beschäftigt.“
„Ausreden, Ausreden.“
„Es ist keine Ausrede, es ist ein Beruf“, sagte Linc und grinste den älteren Mann freundlich an. „Jemand muss das Ruder in der Hand halten.“
„Irgendwann bist du so alt wie ich und dann wirst du dir wünschen, du hättest dir mehr Auszeit gegönnt, als du jünger warst.“ Harry schüttelte den Kopf. „Wie dem auch sei. Du bist jetzt hier und noch dazu mit einer schönen jungen Frau. Genießt diese Nacht!“
Er kam er hinter dem Ticketschalter hervor. „Geht einfach rein, ihr zwei. Und seht zu, dass ihr auch ja meine prachtvollen neuen Haie seht. Noch sind sie Babys, aber wenn sie größer werden … Junge, das werden die Stars dieser Anlage.“
Linc und Molly bedankten sich bei Harry, dann gingen sie einen langen dunklen Flur entlang, der nur vom blauen Widerschein der Wasserbecken am gegenüberliegenden Ende beleuchtet wurde. Das Licht wurde von den Wänden reflektiert und gab dem Gang eine unheimliche Stimmung.
Die Besucher der Anlage drängten sich fröhlich schwatzend um sie herum. Freundliche Zeichnungen von neonfarbenen Pappkartonfischen zierten die Wände. Über ihren Köpfen hingen Sprechblasen mit platten Kalauern. Molly konnte hören, wie einige Teenager sie kichernd wiederholten.
Mini-Seepferdchen und Wale dienten als Sitzgelegenheiten, Plastikaale als Lampen und Muscheln als Prospekthalter.
„Hier wäre es ja toll für Kinder.“
„Mag sein. Mit einem Kind war ich hier noch nie.“
Was war das denn für eine Antwort? Sie versuchte, seine Mimik zu deuten, doch es misslang. Wie frustrierend.
„Nun, ich kann mir durchaus vorstellen, mal mit meinen eigenen Kindern hierherzukommen.“
„Das kann ich mir bei dir auch gut vorstellen“, gab er zurück.
Kein Wort über sich selbst, stellte sie fest. Nichts darüber, ob er an eigenen Kindern interessiert war oder nicht. Hätte er gar nichts gesagt, wäre es nicht weniger aufschlussreich gewesen.
Irgendwie musste sie Linc dazu bringen, sich zu öffnen. Sie musste kreativer werden, wenn sie Antworten von Linc haben wollte – und zwar schnell.
Neben ihr stellte ein kleines Mädchen regelrechte Verrenkungen an, um das Aquarium sehen zu können. Sein Kopf schwankte von links nach rechts, aber die Sicht wurde ihm von einigen größeren Kindern verbaut.
Molly beugte sich hinunter und lächelte den süßen Fratz an. „Na, ist denn für dich nicht schon Schlafenszeit?“
Der blonde Engel lächelte breit. „Nein, meine Mama hat gesagt, ausnahmsweise.“
„Aha. Willst du dich vor mich stellen? Dann siehst du besser.“
„Ja. Danke.“
Molly
Weitere Kostenlose Bücher