Julia Extra Band 0342
Tür gegangen war. So als würde Marcus jeden Moment wieder bei Curtis Systems auftauchen und mit einem schlagfertigen Spruch auf den Lippen seinen Platz am Konferenztisch einnehmen.
Lincs Blick wanderte zum Foto seines Bruders, das an der Wand hing. Marcus’ breites Grinsen beschwor erneut die Erinnerung an seinen Bruder herauf.
Nach mir die Sintflut. Erst das Vergnügen, dann die Arbeit. Lebe für den Moment.
Und was hatte es ihm gebracht?
Linc schüttelte seinen Kopf und schob die Gedanken in die hinterste Schublade seines Bewusstseins. Dann schob er die Arbeit auf seinem Schreibtisch beiseite, stand auf und machte sich auf die Suche nach Molly.
Er war im Unrecht gewesen und das musste er wieder gutmachen.
Er fand sie vor dem Entwicklungszimmer. Sie hatte ihre Hand bereits auf dem Türknauf und war kurz davor, den Raum zu betreten.
„Molly!“
Sie drehte sich zu ihm um, und das emotionale Wechselspiel auf ihrem Gesicht – Wut, Verletztheit, Enttäuschung – sprach Bände.
Er war ein Trottel gewesen. Jetzt räusperte er sich.
„Entschuldige, wie ich mich da gerade verhalten habe. Ich habe nur nicht damit gerechnet, jemanden im Büro meines Bruders anzutreffen. Es ist nur so, dass …“
Linc atmete angestrengt aus. „Es ist nur alles so schwer für mich, seit Marcus gestorben ist.“
Das war die Untertreibung des Jahres.
„Es tut mir so leid, Linc.“
Ihr Blick wurde sanfter und sie trat einen Schritt auf ihn zu. Sie legte ihre Hand behutsam auf seinen Arm – eine mitfühlende, besänftigende Berührung.
„Ich kann mir gut vorstellen, wie hart es für dich gewesen sein muss, jemanden zu verlieren, den du so sehr geliebt hast. Nach allem, was Harry gesagt hat, muss Marcus eine großartige Person gewesen sein.“
Der Schmerz brannte in seiner Brust und er schluckte schwer. Er sah die unausgesprochene Frage in ihren Augen. Jene, die die Wunde noch weiter aufreißen würde.
Wie ist er gestorben?
Nein, darauf würde er sich nicht einlassen. Nicht jetzt. Und auch zu keinem anderen Zeitpunkt.
Linc ließ sie los.
„Ich wollte nur kurz vorbeikommen, um mich zu entschuldigen. Ich will dich nicht aufhalten. Roy wartet bestimmt schon auf dich und …“
Mit einem Kopfschütteln unterbrach sie seinen Satz.
„Eigentlich habe ich ihm gesagt, dass ich vorhabe, den Tag mit dir zu verbringen.“
Er blinzelte. „Mit mir?“
„Seit wir hier angefangen haben, machst du dich unsichtbar. Und obwohl dein Notizbuch ein ganz guter Anfang war, ist es nicht dasselbe wie dich zur Verfügung zu haben. Dieses Programm ist dein Traum, Linc. Du kannst ihn nicht einfach an andere Leute abgeben und erwarten, dass die ihn für dich verwirklichen.“
Sie wollte, dass er sich beteiligte? Hatte er nicht vor über einer Woche klargestellt, dass er das nicht wollte? Schließlich hatte er ihr seine Notizen gegeben. Was brauchte sie noch?
„Ich kann im Laufe des Tages sicher immer mal wieder vorbeikommen und Vorschläge machen.“ Das war aber dann alles. Bitte mich nicht um mehr.
Doch sie konnte seine Gedanken nicht lesen.
„Das reicht nicht. Ich brauche mehr.“
Er hob eine Braue. „Mehr?“
„Wenn ich als Lehrerin etwas gelernt habe, dann, dass man als Schüler am besten lernt, wenn man die entsprechende bildliche Untermalung dazu hat. Ich bin deine Schülerin und möchte, dass du es mir zeigst.“
„Zeigen?“ Was schlug sie vor? „Wie? Wo? Wann?“
„Heute, jetzt, mit mir.“ Sie lachte hell auf. „Nimm dir den Tag frei, Linc, und komm mit mir.“
Er starrte sie an. Die Worte hallten in seinem Kopf nach und waren so fremdartig, dass er sie fast nicht verstand. „Den Tag freinehmen?“
Molly lachte erneut.
„Wiederholst du jetzt nur noch alles, was ich sage?“ Ihre Augen blitzten belustigt. „Ja, den ganzen Tag. Freinehmen, so wie „im Urlaub“, von jetzt an bis morgen. Erzähl mir nicht, dass du das noch nie gemacht hast.“
„Ehrlich, ich kann mich nicht daran erinnern.“ Das war gelogen. Er konnte sich erinnern. Auf Marcus’ Vorschlag hin hatte er eine Woche freigenommen und war in einen dieser Abenteuerurlaube gefahren. Und dann, nach zwei Urlaubstagen …
… hatte er zurückfliegen müssen um Marcus’ Witwe die schrecklichste aller Nachrichten zu überbringen.
Linc schüttelte den Kopf. „Molly …“
„Nur weil du einen Tag freinimmst, stürzt nicht gleich die Firma ein. Da bin ich mir ganz sicher.“
Alles in ihm sträubte sich dagegen. Schon beim bloßen Gedanken an
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