Julia Extra Band 0347
wir ungestört.“
„Genau“, sagte seine Mutter knapp und wandte sich hochmütig ab, um dem drohenden Skandal zuvorzukommen. „Wenn Sie mir folgen wollen, Mr Thornton?“
„Mit Vergnügen, Mrs Powell.“
Zu fünft verließen sie den Ballsaal, Jordans Mutter ging voraus. Ivy hatte Mühe, die Informationen der letzen Minuten zu verarbeiten. Alles in ihr weigerte sich, diesen Mann als leiblichen Vater anzuerkennen. Stimmte seine Geschichte überhaupt? Er schien sich seiner Sache allerdings ziemlich sicher zu sein. Sacha hatte ihn einen Mistkerl und einen Widerling genannt, und das war er allem Anschein nach auch tatsächlich.
Ivys Mut sank. Wenn sie tatsächlich die Tochter eines Erpressers war, wie mochte Jordan darüber denken? Er verabscheute dieses Delikt. Vielleicht würde er die Trennung von ihr, Ivy, als einzige Möglichkeit ansehen, den drohenden Skandal abzuwenden.
12. KAPITEL
Buch an Buch reihte sich in den deckenhohen Regalen an den Wänden der großen Bibliothek. An einem Ende des Raums stand ein wuchtiger Mahagonischreibtisch, vor dem mehrere Stühle aufgereiht waren, stets bereit für eine kleine Konferenz. In einer Ecke des Zimmers war eine Sitzgruppe mit Couch und Sesseln aus schwarzem Leder arrangiert.
„Keine Sorge, ich kümmere mich um die Sache“, raunte Jordan der völlig verunsicherten Ivy zu.
Bedrückt sah sie ihm in die Augen. „Ich wusste nichts von diesem Mann.“
„Wir werden der Wahrheit auf den Grund gehen, Ivy. Bleib ganz ruhig.“ Erneut trat ein Ausdruck unnachgiebiger Entschlossenheit auf seine Gesichtszüge.
Innerlich krümmte Ivy sich. Was würde sonst noch ans Tageslicht kommen?
Jordan bat alle, auf den Stühlen vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen, er selbst setzte sich in den großen Ledersessel, der dahinter stand. Ivy starrte ihre Mutter an, die ihr das ganze Leben lang die Wahrheit verschwiegen hatte. Sacha funkelte Dick Thornton voller Verachtung an, die blutrot lackierten Nägel in das Leder der Armlehne gekrallt.
Thornton jedoch schien völlig ungerührt. Im Gegenteil, entspannt saß er da, die Beine lässig übereinandergeschlagen, ein selbstzufriedenes Lächeln auf dem Gesicht. Nonie Powell ignorierte sowohl Thornton als auch Sacha. Mit geradem Rücken und schmalen Lippen hielt sie den Blick starr auf ihren Sohn gerichtet.
Jordan kam direkt zum Punkt. „Ivy ist der Überzeugung, ihr Vater sei tot, Sacha.“
„Robert war ihr Vater“, beharrte Sacha hitzig. „Und Ivy hätte keinen besseren haben können. Von der ersten Minute an hat er sie geliebt und sich um sie gekümmert. Kein Vater hätte seiner Tochter mehr Zuneigung schenken können.“ Flehend wandte sie sich an Ivy. „Du weißt, dass das wahr ist.“
„Ja.“ Der Kloß in ihrer Kehle machte Ivy das Sprechen schwer.
„War er ihr leiblicher Vater?“, fragte Jordan.
Sacha holte scharf Luft. „Nein.“ Sie warf Thornton einen vernichtenden Blick zu. „Dieser Widerling vergewaltigte mich, nachdem ich seinen Plan vereitelt hatte, seinem Bruder das Erbe abzuschwatzen. Ich wurde schwanger, und als es sich nicht mehr verheimlichen ließ, bestand Robert darauf, mich zu heiraten und das Kind als sein eigenes aufzuziehen.“
„Hey, Moment mal!“, mischte Thornton sich ein. „Ich kann mich nicht erinnern, dass du laut ‚Vergewaltigung‘ geschrien hättest, Sacha. In dem Haus herrschte doch das Prinzip der freien Liebe.“
„Freie Liebe?“, hakte Nonie spitz nach.
„Ja, und zwar mit dem Einverständnis zwischen zwei Erwachsenen“, klärte Sacha sie trocken auf. Dann wandte sie sich voller Bitterkeit wieder an Thornton. „Du wusstest damals genau, dass ich nicht zur Polizei gehen konnte. Keiner von uns konnte woanders unterkommen. Mit unseren Aushilfsjobs neben dem Studium hielten wir uns gerade so über Wasser. Ich konnte nicht riskieren, dass wir alle rausgesetzt werden.“
„Wieso hätte man euch raussetzen sollen?“, wollte Jordan wissen.
Dick Thornton lachte abfällig auf. „Weil sie Hausbesetzer waren, deshalb. Eine Gruppe von Hippies, die sich in einer leer stehenden Villa eingenistet hatte.“
„Hausbesetzer!“, stieß Nonie Powell entsetzt aus.
Sacha fuhr zu ihr herum. „Wir waren arme Studenten und unsere Familien nicht reich genug, um uns das Studium zu finanzieren. Und bevor Sie weiter so borniert tun, lassen Sie mich Ihnen sagen, dass einer von uns heute ein weltweit anerkannter Mediziner in seinem Fachgebiet ist, ein anderer ein renommierter Anwalt, ein weiterer
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