Julia Extra Band 0347
die Enttäuschung über ihr zusammenschlug.
„Das ist es“, bestätigte er. „Nimmst du die Decke? Ich bringe den Korb.“
„Wohin?“
„Zum Picknicktisch.“
„Haha.“ Sie wusste selbst, dass sie sich kindisch benahm. Vielleicht war sie auch einfach nur oberflächlich. Sie erwartete nicht, dass Ibrahim jetzt Bauchtänzerinnen und Wasserpfeifen von irgendwoher produzierte, aber … sie hatte so lange davon geträumt, hatte sich etwas Ehrfurchtgebietendes, etwas Majestätisches vorgestellt, doch das hier war … einfach nur eine Einöde.
Sie schaute sich um, versuchte sich zu orientieren. Außer Sand gab es nichts zu sehen. „In welcher Richtung liegt der Palast?“
„In diese Richtung.“ Ibrahim streckte den Arm aus. An einer Seite des Jeeps spannte er eine Plane, um Schatten zu schaffen. Georgie setzte sich und nahm ein Glas Minztee von ihm an, aber sie hatte Schwierigkeiten, dieses endlose Nichts vor ihren Augen zu akzeptieren.
„Du würdest gerne Kamele sehen, was?“ Ibrahim grinste.
„Eigentlich schon“, gestand sie. „Und Nomaden.“
„Vielleicht stoßen wir ja auf welche. Allerdings trifft man sie meist erst tiefer in der Wüste an.“
„Was ist das eigentlich für eine Krankheit, an der so viele Beduinen erkrankt sind?“, fragte sie.
„Ein neuer Grippevirus“, erklärte Ibrahim, „der aber mit den richtigen Medikamenten behandelt werden kann. In Zaraqua sind die meisten dagegen geimpft. Außerhalb der Stadt allerdings …“ Er sah zum Horizont. „Da hinten im Westen gibt es absolut nichts. Keine Straßen, keine Tankstellen … Man gelangt nur mit dem Helikopter dorthin.“
„Und wenn die Menschen Hilfe brauchen?“
„Sie haben dieses Leben gewählt, so wollen sie es führen.“ Ibrahim wurde bewusst, dass er die Worte seines Vaters wiederholte. „Es ist gut zehn Jahre her, da wurden Verhandlungen geführt, Bauunternehmer wurden hinzugeholt, Pläne entworfen. Doch die Stammesführer lehnten alle Vorschläge ab. Also haben wir uns auf die Stadt konzentriert, auf die Kliniken und die Universität.“
Er sah, wie sie sich auf der Decke umsetzte. Die Caprihose war jetzt unbequem, und ihre Wangen waren bereits gerötet. Doch anstatt hämisch aufzutrumpfen, holte er ein großes Tuch auf dem Wagen und legte es Georgie um.
„Hier. Das hilft.“ Als er sich setzte, stießen seine Finger auf eine Muschelschale im Sand. Er zog sie heraus und reichte sie an Georgie weiter. „Jetzt kann dir nichts mehr passieren, die Muschel beschützt dich.“
„Ist sie wirklich aus der Zeit, als es hier noch einen Ozean gab?“
„Wer weiß das schon? Vielleicht hat ein Tier sie mit hergebracht. In der Wüste gibt es immer mehr Fragen als Antworten.“
Sie aßen die Delikatessen aus dem Korb. Georgie probierte getrocknete Früchte, von denen sie noch nie gehört hatte, Käse, den man in keinem Geschäft in London kaufen konnte, und noch andere Dinge. Im Schatten und mit dem Umhang war ihr nicht mehr so heiß, die Stille war auch nicht mehr unangenehm. Und als sie beide sich Seite an Seite auf der Decke ausstreckten, wusste sie, dass Ibrahim sie nicht küssen würde, trotz der Energie, die zwischen ihnen floss.
Sie waren für Stunden gefahren, bald würden sie sich wieder auf den Rückweg machen müssen. Doch Georgie wollte etwas anderes von der Wüste.
Sie wollte mehr.
„Du würdest ein intensiveres Gefühl dafür bekommen, wenn du allein wärst.“ Ibrahim starrte in den Himmel.
Sie lächelte. „Ich wäre vermutlich zu Tode gelangweilt.“
„Nein, so bringen sie dir bei, die Wüste zu fürchten.“ Er drehte sich auf die Seite. Sie lagen Gesicht zu Gesicht hier auf der Decke, redeten und waren überzeugt, dass sie die Regeln einhalten würden. „Ich muss vier oder fünf Jahre alt gewesen sein, als mein Vater mich herbrachte, und genau wie du war ich gelangweilt von dem Picknick.“
„Das Picknick langweilt mich nicht. Du langweilst mich nicht.“
„Gelangweilt …“, wiederholte er. „So fühlte ich mich, beeindruckt war ich auf jeden Fall nicht. Bis mein Vater in den Jeep einstieg und zusammen mit seinem Diener davonfuhr. Ich dachte, sie hätten mich vergessen, aber nein … So haben sie es mit uns allen gemacht.“
„Sie haben dich einfach dagelassen?“ Georgie war entsetzt.
„Das nicht. Sie haben mich aus der Entfernung beobachtet, aber das wusste ich ja nicht. Sie tun das, um dich starkzumachen. Wenn du allein mit der Wüste bist, flößt sie dir Ehrfurcht ein.
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