Julia Extra Band 0347
Wagentür zu öffnen! Also ignorierte sie ihn und stieg aus – und erkannte sofort, dass seine Aufforderung nichts mit Galanterie zu tun gehabt hatte. Der Sand wollte ihr die Haut abreiben, als sie hastig die Hände hob, um ihre Augen zu schützen, er drang ihr in die Ohren, in die Nasenlöcher, in den Mund. Von einer Sekunde auf die andere war sie völlig orientierungslos, auch wenn sie wusste, dass der Jeep keine zwei Schritte hinter ihr stehen musste und nur einen Meter vor ihr das Zelt lag. Panik überfiel sie, nun erlebte sie die Macht der Wüste. Dann spürte sie einen starken Arm um sich – Ibrahim, der sie an sich zog und ihr Gesicht im Stoff seiner weichen Beduinenrobe barg. Jeder Schritt kostete Anstrengung, als er sie mit sich zog, weg von dem heulenden Wind und hinein in die relative Ruhe des schützenden Zelts.
Die Ruhe hielt nicht lange an.
Georgie hustete und spukte Sand. Ibrahim zündete eine Öllampe an, als er sich wieder umdrehte, war seine Miene grimmig.
„Wenn ich sage, du sollst warten, dann wartest du.“
„Ich wollte nur …“ Ja, was? Ihm zeigen, dass sie die Wagentür selbst öffnen konnte? Ihm mitten in einem Sandsturm ihre Selbstständigkeit beweisen? Es gab keine Erwiderung, die vernünftig wäre.
„Ich weiß nicht, ob du naiv bist oder einfach nur dumm.“ Ibrahim schäumte vor Wut. „In der Zeit, die ich gebraucht habe, um den Wagen zu umrunden, hättest du unauffindbar sein können. Hör mir jetzt genau zu!“, donnerte er. „In einem Sturm dieser Stärke reicht eine Sekunde, um verloren zu gehen oder vom Sand erstickt zu werden!“
„Es tut mir leid“, sagte sie, doch Ibrahim hörte sie gar nicht, er hatte sich schon abgewendet.
„Bedra! Hallo? Ist denn niemand hier?“ Er ging weiter und zündete Lampen an, und mit jeder hellen Flamme offenbarte sich mehr Schönheit.
Herrliche Teppiche überall auf dem Boden und an den Wänden, verschlungene Muster, Instrumente, die Georgie nicht kannte … Das war die Wüste, von der sie geträumt hatte. Ehrfürchtig staunend wanderte sie umher, um sich alles anzusehen, während Ibrahim den Gang entlangging und in durch Zeltstoff und Teppiche abgetrennte Räume hineinrief.
„Hier ist eine Nachricht.“ Georgie hob einen Notizzettel hoch. „Zumindest glaube ich, dass es eine Nachricht ist.“
Ibrahim runzelte die Stirn, als er den Zettel las. „Wieso sollten Bedra und ihr Mann sich draußen bei den Beduinen um die Kranken kümmern?“
„Nun, da sie Ärztin ist, scheint mir das durchaus logisch.“ Kaum waren die Worte heraus, bereute Georgie sie auch schon. Ibrahim wusste ganz offensichtlich nichts davon, so tief, wie die Falte auf seiner Stirn wurde.
„Sie ist keine Ärztin, sondern Haushälterin. Sie sollte hier sein und das Zelt in Ordnung halten.“
Doch als Ibrahim weiter das menschenleere Zelt erkundete, fand er hinter den Unterkünften der Dienstboten einen Behandlungsraum, ausgestattet mit den modernsten medizinischen Gerätschaften.
„Ich weiß nicht, ob du naiv bist oder einfach nur dumm“, konnte Georgie sich nicht verkneifen und fragte sich sofort, ob sie nicht zu weit gegangen war.
Doch er zuckte nur mit den Schultern. „Scheinbar beides. Sie ist also wirklich Ärztin?“
„Ich hätte nichts sagen sollen. Ich will Karim nicht in Schwierigkeiten bringen.“
„Als ob ich ihn verraten würde. Ich hatte mich immer gewundert, wieso er ständig in die Wüste rausfährt … Ich meine, wie oft muss ein Mann meditieren, nicht wahr?“
Sie lachte über seine Bemerkung und bekam prompt einen neuerlichen Hustenanfall. Ibrahim war noch immer wütend auf sich, dass er sie in Gefahr gebracht hatte.
„Ich habe die Wetterwarnungen abgehört, bevor wir losfuhren … Ein Sturm dieser Stärke wurde nicht angekündigt. Er scheint sich aus dem Nichts entwickelt zu haben.“
„Kommen Sandstürme öfter vor?“
Ibrahim nickte. „Ja, und dieser hier ist außergewöhnlich heftig.“
„Heftig genug, um das Zelt wegzuwehen?“
Er lachte nur leise. „Diese Zelte wurden speziell für solche extremen Bedingungen entworfen.“ Plötzlich war er ganz der clevere Ingenieur, beschrieb Verankerungen und Tauwerk und erklärte Stromlinien.
Georgie hörte nur mit halbem Ohr hin, sie beschäftigten andere Dinge. „Ob Felicity und Karim in Sicherheit sind?“ Voller Sorge stellte sie sich die beiden irgendwo da draußen im Nichts vor.
„Keine Angst, Karim weiß, was bei einem Sturm zu tun ist. Sie werden ihn aussitzen,
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