Julia Extra Band 0347
Respekt.“
„Und? Hat es dich starkgemacht?“
Er grinste. „Nein. Ich habe mich hingesetzt und geheult, bis ich mich übergeben musste. Dann habe ich noch mehr geheult, als mein Vater mich für meine Schwäche bestrafte. Und es stimmte, ich war schwach.“ Er konnte die Wahrheit zugeben, weil er sich nie für seine Angst geschämt hatte. Das war es, was seinen Vater am meisten erzürnte.
„Das ist ja grausam.“ Georgie war fassungslos. „Mit Azizah werden sie das bestimmt nicht machen.“
„Nein.“
„Und wenn sie einen Sohn bekommen?“
„Kannst du dir Felicity dabei vorstellen?“ Bei dem Gedanken musste er lachen. Georgie auch. „Ich denke, wir können mit Sicherheit davon ausgehen, dass unserem zukünftigen Neffen eine solche Einweihung erspart bleiben wird. Möchtest du, dass ich wegfahre und dich eine Weile allein lasse?“, fragte er dann.
„Nein.“ Sie erschauerte. Trotzdem wünschte sie, mehr von der Wüste zu erleben. „Können wir den Sonnenuntergang sehen?“
Er blickte in den Himmel. „Bis dahin dauert es noch Stunden.“ Er konnte hier sitzen bleiben, er war an das Land und die Sonne gewöhnt, doch Georgie würde die Hitze zu schaffen machen. Er wollte es ihr schon erklären, als ihm etwas einfiel. „Wir könnten zum königlichen Zelt fahren und dort auf den Sonnenuntergang warten. Dort gibt es Pferde, ich suche eine zahme Stute für dich aus. Und ich kann auftanken. Bedra, die Haushälterin, und ihr Mann halten das Zelt immer für den König und die Prinzen bereit.“
Er überraschte sich selbst, wie sicher er klang. Dabei war er seit Jahren nicht mehr dort gewesen. Weil es ihn nie gereizt hatte, dorthin zu gehen. Aus einem unerfindlichen Grund jedoch wollte er es Georgie jetzt zeigen.
„Und wenn Felicity es erfährt?“
„Brauchst du ihre Erlaubnis?“ Er war verärgert – nicht ihretwegen, sondern über sich selbst. Warum hatte er diesen idiotischen Vorschlag gemacht? Er hatte plötzlich nicht die geringste Lust mehr, zum Zelt zu fahren, und hoffte, dass sie ablehnen würde. „Also, was ist? Ja oder nein?“
„Ja, gern.“
Sie verstand seinen plötzlichen Stimmungswechsel nicht. Resolut schüttelte er die Decke aus und warf sie in den Jeep, die Reste des Picknicks überließ er den bisher nicht gesichteten Wüstentieren. Georgie nahm ihren Umhang ab und faltete das große Stofftuch zusammen.
Die Fahrt verlief in lastendem Schweigen. Vielleicht lag es ja an der Sonne, aber im Moment fühlte Georgie sich in Ibrahims Gesellschaft nicht unbedingt wohl. Dennoch musste sie eingedöst sein. Als sie die Lider hob, lehnte ihr Kopf an der Seitenscheibe. Im Wageninnern war es dunkel, Sand schlug gegen die Windschutzscheibe und wirbelte um den Jeep. Der ehemals tiefblaue Himmel war jetzt bräunlich, und Ibrahims Laune schien sich auch nicht gebessert zu haben. Mit grimmiger Miene hielt er das Lenkrad und sah immer wieder auf den Schirm des Navis.
„Fahren wir durch einen Sandsturm?“
Er warf ihr einen kurzen Seitenblick zu, als sie sich rührte. „Schon eine geschlagene Stunde. Ich werde nur auftanken, und dann fahren wir zurück zum Palast. Vom Sonnenuntergang wirst du jetzt so oder so nichts zu sehen bekommen. Bedra wird uns ein paar Erfrischungen mitgeben.“
„Ist so ein Sandsturm nicht gefährlich?“
„Nicht, wenn man weiß, was man tut. Uns wird nichts passieren“, versicherte er mit einer Überzeugung, die er nicht unbedingt verspürte. Die Sicht hatte sich immer weiter verschlechtert. Er hatte sogar schon daran gedacht, den Jeep einfach anzuhalten, doch wenn der Sturm noch schlimmer wurde, könnten sie leicht vom Sand begraben werden. Also hatte er entschieden, bis zum Zelt durchzuhalten. Dort würden sie abwarten können, bis der Sturm sich legte.
Natürlich hatte Ibrahim die Wetterwarnungen abgefragt, und hätte er etwas von einem aufziehenden Sandsturm gehört, wäre er nie mit Georgie in die Wüste gefahren. Doch selbst jetzt wurde im Radio kein einziges Wort von dem Wüstensturm erwähnt.
Er sah, wie Georgie die Hand nach der Belüftung ausstreckte. „Nicht! Lass es geschlossen!“, knurrte er harsch und nahm sich zusammen. Sie hatte ja keine Ahnung, wie gefährlich das war.
„Warum haben wir angehalten?“
„Wir sind da.“
Und tatsächlich, hinter der Mauer aus wirbelndem Sand konnte Georgie einen wehenden Schemen ausmachen.
„Warte, bis ich um den Wagen herumkomme und dich hole“, wies Ibrahim sie an.
Sie brauchte ihn nicht, um die
Weitere Kostenlose Bücher