Julia Extra Band 0349
ein Körnchen Wahrheit in der Aussage steckte.
„Wenigstens ist mein Vater kein Gauner!“, warf sie hitzig ein. „Und kein kaltherziger Bastard.“
„Mein Großvater hat nie etwas Ungesetzliches getan.“
„Ach, und deshalb ist alles in schönster Ordnung, ja? Ihr Großvater war bestimmt unbändig stolz auf Sie, Mr Alejandro. Sie sind ja sein würdiger Nachfolger.“
Seine Reaktion auf ihre Worte erschreckte sie. Er wurde ganz blass vor Wut, und seine dunkelbraunen Augen schienen vor Hass zu glühen.
„Ich habe ihm nichts bedeutet und er mir weniger als das“, zischte Rafael und schnippte verächtlich mit den Fingern.
Libby war sich klar, dass sie einen wunden Punkt berührt hatte und besser einen Rückzieher machen sollte. Doch stattdessen sagte sie kämpferisch: „Sie hatten aber, wie mir scheint, keine Probleme damit, in seine Fußstapfen zu treten.“
„Ich habe nichts von meinem Großvater geerbt!“
„Ach ja, nichts außer dem allen hier!“ Sie machte eine weitgreifende Geste. „Sie sind wirklich ein jämmerlicher Heuchler!“
Rafael sah sie so verblüfft an, dass sie unter anderen Umständen gelacht hätte.
„Was ist? Können Sie Kritik zwar austeilen, aber nicht einstecken?“, fragte Libby herausfordernd.
„Stellen Sie mich auf die Probe!“, konterte er im selben Ton.
„Na schön! Sie verurteilen meinen Vater, weil er seinen Betrieb geerbt hat, und dabei sind Sie selber mit einem silbernen Löffel im Mund geboren worden.“
„Das bin ich nicht!“
„Ach richtig, bei Ihnen war der Löffel aus purem Gold“, verbesserte sie sich sarkastisch.
„Nein, falsch! Mein Großvater hat meine Existenz bis vor zwei Jahren nicht zur Kenntnis genommen“, erklärte Rafael.
„Warum? Was haben Sie angestellt?“
„Ich wurde geboren“, antwortete er scheinbar gleichmütig. „Das ist kein so schlimmes Vergehen, wie Sie es sich vermutlich vorgestellt haben. Aber in den Augen meines Großvaters war diese Tatsache unverzeihlich.“
Libby bemühte sich, das Bild eines verstoßenen kleinen Jungen aus ihrem Kopf zu vertreiben. Sympathie mit dem Gegner kam nicht infrage!
Es war schlimm genug, dass er blindes Verlangen in ihr weckte.
„Sie sind also ein …“ Errötend verstummte sie.
„Ein Bastard im wahrsten Sinne des Wortes“, beendete er den Satz für sie und lächelte über ihre Verlegenheit. „Meine Mutter hatte eine Affäre mit einem verheirateten Mann, als sie erst siebzehn war. Mein Großvater hat sie vor die Tür gesetzt und komplett aus seinem Leben gestrichen. Als er vor zwei Jahren mit mir Kontakt aufgenommen hat, wusste er nicht einmal, dass sie tot ist.“
Seine Worte schockierten Libby zutiefst. „Wie konnte er das seiner eigenen Tochter antun, noch dazu, wo sie so jung war?“
Er schüttelte belustigt den Kopf. „Sie haben anscheinend sehr romantische Vorstellungen von Familienzusammenhalt.“
„Ich habe in dieser Hinsicht echt Glück gehabt“, gab sie zu.
Rafael erkannte das Mitgefühl in ihren Augen … und versuchte, es an sich abprallen zu lassen.
„Sich auf Glück zu verlassen scheint ein weitverbreiteter Fehler in Ihrer Familie zu sein“, sagte er scharf.
Nun blickte sie ihn wieder kühl an, und das behagte ihm besser. Mitleid ertrug er nicht, auch nicht von einer Frau.
Vor allem nicht von einer schönen Frau!
Und Libby Marchant war wirklich bezaubernd.
„Gemeinsame Wurzeln und Zusammengehörigkeitsgefühl halte ich für wichtig.“ Stolz hob sie das Kinn. „Das verstehen Sie wahrscheinlich nicht“, fügte sie verächtlich hinzu.
„Weil ich ein Bastard bin, weiß ich – Ihrer Meinung nach – solche Werte nicht zu schätzen?“
Sie hielt seinem Blick stand. „Legen Sie mir keine Worte in den Mund! Und eins möchte ich unbedingt festhalten: Wenn ich Sie als Bastard bezeichne, spiele ich damit nicht auf die Umstände Ihrer Geburt an!“
„Keine Sorge, man hat mir schon Schlimmeres an den Kopf geworfen“, erwiderte er amüsiert.
Wieso reagiert er immer anders als erwartet? fragte Libby sich verblüfft.
„Und eins möchte ich festhalten, Miss Marchant: Ich habe nur sehr wenig geerbt. Zum Zeitpunkt, als mein Großvater starb, besaß ich bereits die Aktienmehrheit der Firma und war kurz davor, sie völlig zu übernehmen. Die Mühe hat mir sein Tod erspart“, fügte er zynisch hinzu.
„Sie wollten Ihren Großvater ganz bewusst ruinieren?“, fragte sie entsetzt.
„Er hätte nicht völlig mittellos dagestanden“, versicherte Rafael
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