Julia Extra Band 0349
Oberkörper. „Wir sollten jetzt umkehren.“
Ihr förmlicher Ton brachte die gewohnte undurchdringliche Miene zurück, und sofort vermisste Honor die Leidenschaft, die sie kurz zu sehen bekommen hatte. Aber Honor konnte die Schatten nicht vertreiben, die sie plötzlich umgaben.
Ein Mal noch heftete er die Augen auf das Riff, dann folgte Rob ihr still in den Wald.
Stundenlang warf Rob sich in der komfortablen Kajüte hin und her. Weil er Angst hatte, das Boot würde sinken, und nicht, weil er sich ständig an Honors fein geschnittenes Gesicht, den Duft ihres im Meer gewaschenen Haars oder die verlockend langen gebräunten Beine erinnerte. Jedenfalls sagte er sich das.
Ob ihn nun das drohende Seemannsgrab oder die Frau wach hielt, es lief auf dasselbe hinaus.
Er würde an Land schwimmen.
Geübt darin, sich nicht den Kopf an der niedrigen Decke zu stoßen, setzte sich Rob in seiner Koje auf. Er hatte so manche Nacht an Bord verbracht, auf dem Meer und im Hafen, aber niemals jemanden mit in diese Kajüte genommen. Honor, wenn auch nur in seiner Fantasie, war die erste Frau, die diesen Raum betreten hatte.
Zum Teufel mit ihr! Sein Zufluchtsort kam ihm irgendwie entweiht vor.
Das Mondlicht zeichnete einen funkelnden Weg über die Ozeanwellen bis zum Horizont. Rob drehte sich zur Insel um und stellte sich Honor unter ihrer riesigen Sonnenblumenplane vor. Vielleicht konnte er sie eine Weile im Schlaf beobachten. Daran war nichts allzu Gruseliges.
Oder?
Lächelnd glitt er vom Bootsrand, dann holte er gequält Luft, als das kalte Wasser in seine Shorts strömte. Dass Haie nachts in der Nähe von Riffen aktiver waren, wusste er. Beides zusammen bereitete allen nachklingenden angenehmen Empfindungen ein Ende.
In Rekordzeit stemmte sich Rob aufs Riff und sprang in die geschützte Lagune. Obwohl darin keine Gefahren lauerten, schwamm er schnell an Land. Inzwischen hatte er die Tour oft genug gemacht, um selbst im Dunkeln den Pfad zu finden, der zum Camp führte. Nach kurzer Zeit sah er die Lichtung vor sich und ging vorsichtig weiter. Falls Honor schlief, wollte er sie nicht erschrecken. Er würde sich auf den Campingstuhl setzen und einfach bis zum Tagesanbruch warten.
Ihr kleines Schlafzelt war, genau genommen, groß genug für zwei, aber sie wollte es sicherlich nicht mit jemandem teilen, den sie gerade erst kennengelernt hatte, ob Mann oder Frau. Als er an seine Meerjungfrau dachte, die lang ausgestreckt, ganz warm und schläfrig dalag, kam seine Fantasie mächtig in Fahrt.
Du bist nicht normal, Dalton, sagte er sich nicht zum ersten Mal seit seiner Ankunft auf der Insel.
Plötzlich nahm er eine Bewegung am Waldrand gegenüber wahr. Rob sah auf seine Armbanduhr. Viertel vor drei. Offensichtlich konnte Honor auch nicht schlafen. Sie ging über den mit Mondlicht gesprenkelten Platz auf das Zelt zu. Schnell zog sich Rob in den Schatten der Bäume zurück.
Sie war nackt.
Den Geräuschen nach kramte sie in ihren Vorräten und ließ irgendetwas in eine Schüssel fallen. Dann lief Wasser in die Schüssel.
Rob wollte weggehen, aber jetzt hörte er sogar, dass Honor einen Schwamm auswrang. Was bedeutete, dass sie ihn auch hören würde, wenn er sich von der Stelle rührte. Verdammt, warum war er nicht sofort umgekehrt?
Er sah Honor aus dem Zelt kommen und zum Waldrand gehen, wo er sie zuerst bemerkt hatte. Ihn plagte sein Gewissen. Zum zweiten Mal in weniger als vierundzwanzig Stunden beobachtete er Honor heimlich.
Deshalb schloss er die Augen und horchte, während sie sich wusch. Seine moralischen Werte mochten ja völlig vermurkst sein, aber an seiner Vorstellungskraft war nichts auszusetzen. Und der Bikini, in dem Honor den ganzen Tag herumgelaufen war, hatte nicht viel verborgen.
Als Rob Wasser plätschern hörte, stellte er sie sich vor, wie sie nackt im Mondschein stand und mit dem Schwamm sanft über ihren Körper fuhr. Sich mit Süßwasser aus den Kanistern von Kopf bis Fuß zu waschen war zweifellos ein seltener Luxus, und Honor machte fast ein Ritual daraus. Ebenso achtsam, wie sie bestimmt ihre Vorräte behandelte, kümmerte sie sich um ihre vom Salzwasser strapazierte Haut.
Über die Narben strich Honor noch sorgfältiger, beinahe zärtlich. Sie huldigte ihnen nahezu, und das war so viel privater als irgendein nackter Körperteil. Rob konnte kaum noch atmen. Ein dumpfes Pochen breitete sich in ihm aus.
In diesem Moment wurde ihm klar, dass seine Augen nicht mehr zu waren und er sich nicht nur etwas
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