Julia Extra Band 0349
beiden.
Sofort kam Honor sich treulos vor, und die Glut der Leidenschaft kühlte ab.
Aber sie schwelte noch immer, ganz egal, wie sehr Honor sich auch anstrengte.
4. KAPITEL
Am nächsten Morgen war von Rob nichts zu sehen, und Honor fragte sich, wohin er gegangen war, nachdem sie sich in ihr Zelt zurückgezogen hatte.
Der Teufel sollte ihn holen! Schon hatte der Mann ihren gewohnten Tagesablauf durcheinandergebracht. Normalerweise stand sie in aller Frühe auf, aber nach der unruhigen Nacht war sie spät dran.
Sie musste arbeiten.
Murrend zog Honor abgeschnittene Jeans und ein Tanktop an, trug reichlich Sonnencreme auf und schlüpfte in bequeme Tennisschuhe. Aus ihren Vorräten nahm sie sich einen Müsliriegel und eine Flasche Wasser, dann griff sie nach ihrem Logbuch und ging zur Binnenlagune.
An diesem Abend begann ihre Schildkröten-Wache. Die Eier in den frühesten Nestern waren acht Wochen alt, und die Jungen konnten jetzt jede Nacht schlüpfen. Das hieß, sie würde ihre Vogelbeobachtung am Tag gegen die nächtliche Schildkrötenüberwachung tauschen und nur noch einige Stunden am Nachmittag an der Binnenlagune verbringen.
Deshalb würde sie sich heute zum letzten Mal ausführlich Aufzeichnungen machen, bevor sie für zwei Monate ein Geschöpf der Nacht wurde. Angesichts meines Gasts ist das vielleicht gut, überlegte Honor.
Ihn zu meiden war eine Möglichkeit, mit dem Problem fertig zu werden.
Hunderte Vögel ließen sich am Himmel mit der Luftströmung treiben, stürzten sich im Spiel aufeinander und stiegen wieder auf. Bis zur nächsten Brutzeit würden sie nicht noch einmal so viel Muße haben, wenn erst wieder der tägliche Überlebenskampf begann.
Honor verstand, wie es ihnen erging. Ihre acht Monate auf der Insel waren für sie wie der Rückzug in ein Schutzgebiet. Sie wollte genau hier in diesen Gewässern sein und sehnte sich nach dem Frieden, den man nur in der Natur finden konnte. Sie verließ die Insel lediglich während der Regenzeit – also musste sie doch noch am Leben hängen – und kehrte zurück, sobald sich der Monsun ausgetobt hatte.
Tief atmete Honor die saubere, salzige Luft ein. Den Guano von Tausenden von Vögeln oder die vermodernden Pflanzen roch sie nicht mehr, aber ein Neuankömmling auf der Insel musste die Gerüche wahrnehmen.
Wie Rob.
Sie hatte geglaubt, nach all den Jahren würde sie sich jetzt erholen und durch ihre Arbeit ein bisschen Freude an ihrem völlig anderen Leben finden. Es brauchte nur einen charismatischen Schiffswrackjäger, um alles auf den Kopf zu stellen. Und der Mann war erst seit vierundzwanzig Stunden hier. Es ärgerte sie, dass sie das Leben in Zweifel zog, mit dem sie seit vier Jahren vollkommen zufrieden gewesen war.
Vollkommen? Nichts war vollkommen.
Robs Benehmen, seine Kleidung und seine Ansichten deuteten auf einen Lebensstil hin, den Honor schnell als oberflächlich abgetan hatte. So nervtötend selbstgefällig er auch sein mochte, sie vermutete, dass Robert Dalton viel mehr lebte, als sie es jemals getan hatte.
Während ihrer vier Monate in der Zivilisation auf der Hauptinsel blieb Honor meistens für sich. Die Leute dort kannten sie, wenn auch nur vom Sehen. Die Freunde, die ihr auf dem Festland geblieben waren, versuchten nicht mehr, Honor zu überreden, nach Hause zu kommen. Ihre Verwandten ließen in wohldosierten Abständen von sich hören.
Die Ausnahme war ihre krankhaft optimistische Mutter, die – nachdem sie monatelang abwechselnd gestritten oder überhaupt nicht miteinander geredet hatten – Tausende Kilometer weit weg von Honors Heimatstadt gezogen war. Es war reine Ironie, dass sie jetzt fast Nachbarn waren. Broome im äußersten Norden von Western Australia war von Pulu Keeling aus die nächstgelegene australische Stadt.
Wenn man zweitausend Kilometer nah nennen wollte.
Honor konnte sich nicht daran erinnern, dass außer ihrer Mutter irgendjemand wirklich dafür gekämpft hatte, sie nach dem Unfall in Perth zu halten. Hatten es ihr alle zu leicht gemacht, eine Einsiedlerin zu werden? Honor dachte an die Frau, die sie vor dem Unfall gewesen war, eine junge Frau, mit der sie heutzutage kaum noch Ähnlichkeit hatte.
Barfuß. Sorglos. Frei.
Wollte sie unbewusst wieder so sein? Freier als auf dieser Insel konnte man nicht leben, und meistens lief sie barfuß herum. Aber sorglos?
Überhaupt nicht.
Sie sah auf und erkannte, dass sie immer weitergegangen war und fast die ganze Insel umrundet hatte, ohne auf Rob zu
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