Julia Extra Band 0349
…“
„Das ist nicht nötig, Honor“, unterbrach Rob sie ungeduldig. „Ich habe dich nackt gesehen – na und? Eigentlich habe ich am Nachmittag am Strand schon dasselbe gesehen. Dein Bikini überlässt nicht viel der Fantasie. Und da habe ich es ja geschafft, dich nicht in die Dünen zu zerren, stimmt’s?“
Wütend starrte sie ihn an.
„Oh, in Ordnung!“ Rob riss sich die Shorts herunter.
Schnell wandte sich Honor ab. „Was soll das denn?“
„Ich sorge dafür, dass wir quitt sind. Ich habe dich gesehen, also darfst du mich sehen. Mir macht das nichts aus.“
„Ich will dich nicht sehen!“ Lügnerin, Lügnerin …
„Okay …“, seine Stimme klang gedämpft, als er sich das T-Shirt über den Kopf zog, „… ich bin nackt. Schau es dir an. Na los.“
Honor musste sich anstrengen, um nicht zu schreien. Der Mann hatte ein unverwüstliches Ego. „Zieh dich wieder an, Rob.“ Sie horchte und hörte nichts. „Was ist?“
„Du hast mich Rob genannt.“
„Ja, und?“
„Meine Freunde nennen mich Rob.“
„Würdest du dich bitte wieder anziehen?“
„Tue ich, wenn du dir etwas anziehst.“
„Gut. Nimm dich vor den Sandzecken in Acht, sie aus den Hautfalten herauszubekommen ist ein Albtraum.“ Verärgert hielt sie das Handtuch hinter sich, verschwand ins Zelt und machte es mit einem lauten „Ratsch!“ zu.
Nachdem sie Rob hatte weggehen hören, dauerte es lange Minuten, bis sich ihr Herzschlag normalisiert hatte. Aber an Schlaf war gar nicht zu denken.
Eigentlich hätte sie fuchsteufelswild sein sollen. Nach dem, was Rob getan hatte, würde sie niemand kritisieren, wenn sie ihn von der Insel warf. Nur hatte seine Erklärung so glaubwürdig geklungen. Natürlich war es verrückt, um drei Uhr morgens an Land zu schwimmen. Vielleicht war er wie sie eine Nachteule.
Und konnte sie ehrlich behaupten, dass sie ihn nicht beobachtet hätte, wenn sie zufällig dazugekommen wäre, während er im Mondschein seinen Körper mit einem Schwamm abrieb?
Das, was sie sich anzuschauen nicht erlaubt hatte, als Rob sich hinter ihr ausgezogen hatte, ließ jetzt ihre Fantasie übersprudeln. Und das Schlimmste daran war, dass ihre Vorstellung wahrscheinlich der Wirklichkeit ziemlich nahe kam. Rob Dalton war jung, fit und gut aussehend und … so lebendig.
Honor runzelte die Stirn über das Wort, das ihr Unterbewusstsein hervorgebracht hatte. Sie vermutete, dass Rob ein Mann war, der alles mitnahm, was das Leben zu bieten hatte. Er liebte seine Schiffswracks, liebte seine Frauen, und man spürte seine Vitalität und Begeisterungsfähigkeit. So energiegeladen hatte sich Honor nicht mehr gefühlt, seit …
Es war länger als vier Jahre her. Dass sie es vermisst hatte, war ihr bis zu dieser Nacht nicht klar gewesen. Robs Anwesenheit erinnerte Honor daran, dass ein vorhersagbares Leben nicht so angenehm war, wie es schien.
Denn es bedeutete, dass sie Gefühle wie dasjenige verpasste, das sie überkam, wenn sie an sein Brustwarzen-Piercing dachte. Wenn sie sich eine Sekunde lang vorstellte, die Lippen um die kleine Hantel zu schließen.
Du lieber Himmel. Honor bewegte sich in ihrem Schlafsack, um das Prickeln tief im Innern zu unterbinden. Es war auch lange her, dass sie das gespürt hatte. Diese Empfindungen waren zusammen mit ihrer Lebensfreude vor Jahren verschwunden. Zu entdecken, dass sie die ganze Zeit über in ihr geschlummert hatten, war fast erschreckend.
Ärgerlich drehte sich Honor auf die Seite. Normalerweise erlaubte sie sich nicht, in diese frühere Gefühlswelt zurückzukehren, zu den damit verbundenen quälenden Gedanken und Erinnerungen. Es tat zu weh.
Dann war es doch einfacher, wieder an den aufreizend selbstsicheren Mann draußen am Strand zu denken, daran, wie es wohl wäre, ihren Mund auf seinen zu drücken. Von diesen starken Armen gehalten zu werden oder unter diesem athletischen Körper zu liegen.
Energisch verdrängte Honor die sinnlichen Überlegungen. Sich Träumereien über ihn hinzugeben war nicht besser als das, was er getan hatte, als er sie heimlich beobachtet hatte: ein ungerechtfertigtes, unpassendes Eindringen in die Privatsphäre. Die Umstände hatten Rob Dalton auf ihre Insel verschlagen. Er war nicht zu ihrem Vergnügen hier.
Der Mann konnte nichts dafür, dass er sie total verwirrte. Und sie war anscheinend lebendiger, als sie geglaubt hatte. Honor wurde bewusst, dass er sie mehrmals minutenlang abgelenkt hatte. So sehr, dass sie ihren Kummer vergessen hatte.
Die
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