Julia Extra Band 0349
einen ebenso perfekten Gentleman wie seine britischen Kollegen, doch er lebte in Argentinien und trainierte seine Pferde in den endlosen, ungezähmten Weiten der Steppen.
Je eher er dorthin zurückkehrt, desto eher kann ich mich wieder entspannen, versuchte sie sich zu beruhigen, aber sie schaffte es nicht, ihre bange Vorahnung abzuschütteln.
„Ich lasse dich niemals gehen“, flüsterte sie Misty zärtlich ins Ohr, als sie das kleine Pony neben den anderen Tieren anband. Dann legte sie Misty die Arme um den Hals. „Und ich werde dich bestimmt niemals einem dahergelaufenen Wilden mit einem schwarzen Herzen wie Nero Caracas verkaufen. Lieber würde ich …“
Als ein Schluchzen in ihrer Kehle aufstieg, brach sie ab und vergrub ihr Gesicht in der seidigen grauen Mähne. Was konnte sie nur tun?
Nero Caracas gab nichts auf Gerüchte. Er bevorzugte es, sich seine eigene Meinung zu bilden, über Menschen, Tiere, Dinge – und über Amanda Wheeler.
Die Eisjungfrau nannte man sie in Polokreisen, und mit eisigen Augen hatte sie ihn auch angeschaut. Zumindest am Anfang ihres Gesprächs.
Warum, in aller Welt, versteckte Amanda ihr üppiges kastanienbraunes Haar unter einem eng anliegenden Netz? Nero musste schmunzeln, als er an die einzelne vorwitzige Strähne dachte, die sich darunter hervorgestohlen hatte.
In Pferdekreisen genoss Amanda größten Respekt, doch über ihr Privatleben war kaum etwas bekannt. Auch für ihn war sie ein Rätsel, nach ihrem kurzen Gespräch mehr als zuvor. Im Gegensatz zu den meisten Menschen hatte sie ihm keinen Honig um den Bart geschmiert, sondern ihn ganz offen herausgefordert. Zu einem Kampf, dem er nicht widerstehen konnte.
Geschmeidig schwang Nero sich in den Sattel, ergriff die Zügel und versammelte für die letzten anfeuernden Worte vor dem Spiel sein Team um sich. Heute fühlte er sich ungewohnt angespannt. Auch seine Männer schienen dies zu bemerken. Sie musterten ihn wachsam, während sie ihre ruhelosen Ponys zügelten.
„Keine Gnade!“, warnte er sein Team. „Aber geht kein Risiko für die Pferde ein. Und achtet auf die kleine Graue, die der britische Kapitän reitet! Je nachdem, wie das Spiel läuft, habe ich vor, sie für mich zu kaufen.“
Amanda hat nicht die Absicht, mir ihr Pferd zu verkaufen, fiel ihm augenblicklich wieder ein. Sie hatte ganz deutlich gezeigt, dass sie nicht einmal mit ihm darüber reden wollte. Plötzlich erschien ein Bild in seinem Kopf, wie er ganz langsam die Knöpfe ihrer Reitbluse öffnete, während sie ihn mit großen Augen anflehte, nicht aufzuhören.
Was verbirgt Amanda Wheeler unter ihrer kühlen Oberfläche? überlegte Nero. Erstaunt stellte er fest, dass er es herausfinden wollte. Zum Glück hielten seine Männer das Feuer in seinen Augen für reine Kampfeslust, und mit donnernden Hufen ritten sie davon.
Amanda ist anders, dachte Nero, während er seinen Helm aufsetzte und unter dem tosenden Beifall der Menge aufs Spielfeld ritt. Sie würde es ihm nicht so leicht machen wie ihr hübsches Pony.
Vergeblich versuchte er zu verstehen, was hinter dem kühlen Blick ihrer schönen Augen gelegen hatte. Was es Angst? Offenbar fürchtete sie, ihr Pferd zu verlieren, aber das war nicht alles gewesen. Viel interessanter fand er jedoch die Frage, warum eine so erfolgreiche und attraktive Frau ganz allein lebte. Anscheinend wollte sie es so, sonst würde sie sich nicht so streng und schmucklos kleiden.
Sie ist wirklich außergewöhnlich, dachte Nero. Amanda war eine unabhängige und mutige Frau. Sie hatte ihrem Vater bis zu seinem bitteren Ende beigestanden und versucht zu retten, was vom Familienbesitz noch übrig geblieben war.
Obwohl sie ganz offensichtlich selbst das kleinste Anzeichen von Wärme oder Humor sorgfältig vermied, musste es unter der Oberfläche der Eisjungfrau noch eine andere Seite geben. Nero hatte gehört, dass die Kinder ihres Dorfes sie heiß und innig liebten und gern ihren Reiterhof besuchten.
Nero schüttelte den Kopf, um die Gedanken an Amanda zu vertreiben. Sie konnte ihm nützlich sein. Mehr brauchte ihn nicht zu interessieren! Mit einem Griff schob er seinen Gesichtsschutz herunter. Doch sein Blick glitt unruhig über die Reihen der Zuschauer und suchte nach Amanda.
2. KAPITEL
Sie hasste ihn! Fast im Alleingang hatte Nero Caracas die britische Mannschaft vernichtend geschlagen. Trotz seines großartigen Teams machte Amanda ihn ganz allein für die Niederlage der Ponys verantwortlich, die sie trainiert
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