Julia Extra Band 0354
hatte.
Toms Anblick, als er torkelnd umherlief, war mehr als furchtbar gewesen. Bella war so beschämt darüber gewesen, dass sie Zoe sofort weggescheucht hatte.
Nun war sie hier, und Kents halb nackte Gestalt war nicht weniger verstörend gewesen.
Natürlich hatte Zoe schon viele entblößte männliche Oberkörper gesehen. Aber Kent Rigby war der aufregendste Mann, den sie jemals getroffen hatte. Besonders in diesem Zustand.
Er hatte sein Hemd in der Eile falsch zugeknöpft, und fast hätte sie ihm angeboten, es zu korrigieren. Doch sie konnte sich gerade noch rechtzeitig zurückhalten.
Sie stellte sich seine Reaktion vor, wenn sie ihn wirklich berührt hätte.
Es ist alles in bester Ordnung. Ich habe nichts Peinliches getan, bin schon wieder ruhig. Alles unter Kontrolle.
Sie trank einen Schluck Tee und aß einen der leckeren Kekse, die Kents Mutter vorsorglich dagelassen hatte. Ja, jetzt fühlte sie sich schon viel entspannter. Und Kents tiefe Stimme am Telefon brachte sie vollends in die Realität zurück. Er stand im Flur und sprach mit Bella.
Zoe blätterte indessen in einer Country-Zeitschrift mit Artikeln über Gemüsegärten, Hühnerzucht und mit wunderbaren Rezepten.
Dabei stellte sie sich vor, wie Bella eines dieser Magazine las und sich von den Artikeln inspirieren ließ. Doch irgendwie passte die Vision nicht, dass ihre Freundin mit manikürten Händen im Garten stand oder in der Küche Kuchenteig knetete.
Bisher hatte Bella nie davon geredet, eines Tages vielleicht einmal ein Leben auf dem Land zu führen. Im Gegenteil, sie schien ein Stadtmensch zu sein, der Kosmetiksalons und Coffeeshops liebte. Aber Bella schien versteckte Seiten zu haben. So hatte sie auch nie über die Alkoholprobleme ihres Vaters gesprochen.
Ganz klar, Bella hatte viele Gesichter. Das toughe Mädchen, das sich für Mode und schrillen Nagellack interessierte, war wahrscheinlich eine mutige Fassade. Inzwischen konnte Zoe verstehen, warum ihre Freundin sich einen treuen und verlässlichen Partner wie Kent ausgesucht hatte. Ein liebender Ehemann, der alles von ihr wusste und ihre Sorgen bezüglich ihres Vaters mit ihr teilen konnte.
Zweifellos war Kent in jeder Hinsicht die perfekte Wahl.
Sie hörte seine Schritte im Flur und setzte ein Lächeln auf.
Doch sein Anblick löste eine Flut von Reaktionen in ihr aus. Kent Rigby hatte etwas ungemein Verführerisches. Sein gebräunter Teint, die dunklen Augen und sein Lächeln wirkten auf sie wie ein Sonnenaufgang.
Wie naiv sie doch war! Abgesehen von der Tatsache, dass dieser Mann der Verlobte ihrer besten Freundin war, sollte sie aus dem Desaster mit Rodney gelernt haben. „Wie geht es Bella?“
„Sie ist natürlich außer sich und wütend auf ihren Vater. Er ist bei den Anonymen Alkoholikern gewesen, und wir dachten, er sei auf einem guten Weg.“
„Vielleicht war es nur ein Ausrutscher, und er wird bald trocken sein.“
„Hoffen wir es“, seufzte Kent. „Tom hatte schon als junger Mann Alkoholprobleme. Doch während der ganzen Ehe mit Mary ist er trocken geblieben. Erst nach ihrem Tod ging es wieder bergab mit ihm.“
„Der arme Mann. Arme Bella. Sie muss sich so hilflos fühlen.“
Kent nickte. „Für Sie muss es auch ein Schock gewesen sein, ihn so zu sehen.“
„Ja, weil es so unerwartet kam und Bella am Boden zerstört war.“ Zoe hob die leere Teetasse. „Vielen Dank, das hat gutgetan.“ Sie erhob sich. „Ich nehme an, dass Sie gleich zu Bella fahren wollen.“
„Später. Tom schläft jetzt, und Bella will dort ein bisschen aufräumen.“ Kent öffnete den Kühlschrank und sah sich die Vorräte an. „Ich werde uns erst mal etwas zu essen machen.“
„Uns?“
„Ja … wir sind heute Abend allein.“
„Aber … Sie müssen mich nicht durchfüttern“, stammelte Zoe, überwältigt von der Vorstellung, allein mit diesem Mann beim Essen zu sitzen. „Ich kann in den Pub gehen.“
„Schon gut, Zoe.“ Er schloss den Kühlschrank und lächelte. „Sie sind die Präsidentin unseres Hochzeitskomitees und hier natürlich jederzeit willkommen. Wenn Sie möchten, können Sie wieder im selben Zimmer übernachten.“
Sie wollte schon protestieren, doch vielleicht wäre er in seiner Ehre als Gastgeber gekränkt. „Danke. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“
„Sie könnten Ihr Bett beziehen, während ich uns ein paar Steaks brate.“ Und schon lief Kent zum Wäscheschrank im Flur. Zoe folgte ihm. Ein schwacher Lavendelduft strömte ihnen entgegen, als er
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