Julia Extra Band 0354
überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil.“
„Ich lebe gern hier“, gestand Kent. „Nicht nur wegen der Landschaft und des Lebensstils. Es ist die lange Tradition meiner Familie an diesem Ort. Einer meiner Urgroßväter hat dieses Stück Land vor hundertfünfzig Jahren entdeckt und sich hier niedergelassen.“
„Wow.“ Zoe blickte in die dunkle Landschaft hinaus. „So viel Geschichte.“
Kent nickte. „Mein Großvater und mein Urgroßvater mussten beide in den Krieg ziehen, und während ihrer Abwesenheit haben die Frauen und Kinder die Farm für sie geführt.“ Kents und Zoes Blicke trafen sich. „Die Verantwortung, diese Traditionen weiterzuführen, bedeutet mir sehr viel.“
„Das kann ich mir vorstellen. Schon allein die Vorstellung erzeugt eine Gänsehaut bei mir.“ Zoe gefiel der Gedanke von Kontinuität und tiefem Zugehörigkeitsgefühl.
„Das heißt aber nicht, dass ich nicht auf Reisen gehe“, fügte Kent lächelnd hinzu.
„Sind Sie viel rumgekommen?“
„Als ich neunzehn war, bin ich mit meinem besten Freund Steve, der jetzt mein Trauzeuge sein wird, durch Europa gereist.“
„Und wo hat es Ihnen am besten gefallen?“
„In Prag“, erwiderte er, ohne zu überlegen.
„Interessant. Die meisten Menschen bevorzugen Paris, London oder Rom.“
„Oder Venedig.“
„Ja.“ Sie lächelte und freute sich, dass Kent jetzt wieder entspannter war. „Was hat Ihnen an Prag so gefallen?“
Kent lachte. „Wenn Steve jetzt hier wäre, würde er vom tschechischen Bier schwärmen. Aber für mich war es die Altstadt zur Weihnachtszeit. Die schneebedeckten Gebäude und Straßen waren unglaublich schön. Alles in Prag zeugt von Geschichte, und kein einziger Weihnachtsbaum ist aus Plastik.“
„Das hört sich wunderschön an. Ich sollte versuchen, zu Weihnachten dort zu sein.“
„Ja, tun Sie das.“ Einen Moment lang flackerte so etwas wie Bedauern in Kents Augen auf. Doch dann kam sein Lächeln zurück. „Und schicken Sie mir eine Postkarte.“
„Das mache ich. Versprochen.“
„Übrigens haben Sie immer noch nicht Ihre Lieblingsfarbe verraten.“
„Und Sie haben mir noch nicht gesagt, warum Sie das wissen wollen.“
„Geduld, Zoe. Alles zu seiner Zeit.“
„Was, wenn ich gar keine Lieblingsfarbe habe?“
Er lachte. „Das würde ich sofort glauben. Ich habe nämlich auch keine.“
Sie stimmte in sein Lachen ein, und ihre Blicke trafen sich für Sekunden. Erneut entstand dieser magische Moment, wie bei ihrer ersten Begegnung auf der Landstraße.
Dann brach Kent den Zauber und griff nach seinem Bier, und Zoe landete wieder in der Realität.
Sie war so ein Dummkopf.
Wie konnte sie sich nur so ihren Fantasien hingeben, während die arme Bella mit den Problemen ihres Vaters zu kämpfen hatte. Eigentlich sollte ihre Freundin hier sitzen und dieses romantische Dinner an Kents Seite genießen.
„Ich hoffe, Bellas Vater geht es morgen besser“, bemerkte Zoe, als sie wieder in der Küche waren und das Geschirr in die Maschine einräumten.
„Machen Sie sich um Tom keine Sorgen. Morgen früh wird er alles bereuen.“
Zoe nickte. „In der Band meiner Eltern gab es auch jemanden, der Alkoholprobleme hatte und hoffte, dass die anderen darüber hinwegsahen.“
Kent hörte interessiert zu und seufzte. „Es ist wirklich schwer, Tom so zu sehen. Er war ein feiner Kerl und für viele Jahre mein Held. Er hat mir das Leben gerettet, als ich noch ein Knirps war.“
„Wirklich? Was ist passiert?“
„Ich bin beim Spielen in den Fluss gefallen und hatte mir den Kopf an einem Stein aufgeschlagen.“ Mit einem verlegenen Lächeln beugte sich Kent vor und zeigte auf eine kleine Narbe auf der Stirn.
Der herbe männliche Duft seiner Haut wehte ihr in die Nase, während Zoe die Narbe von Nahem betrachtete. Seine langen dunklen Wimpern und der sinnliche Mund waren jetzt nur Zentimeter entfernt.
Oh nein.
Vielleicht spürte Kent, was in ihr vorging. Eine knisternde Spannung lag für wenige Augenblicke zwischen ihnen, bevor er den Kopf wieder zurückzog und auflachte. „Zum Glück habe ich mir nicht den Hals gebrochen. Ich wäre bestimmt ertrunken, wenn Tom nicht gewesen wäre.“
„War Bella auch dabei?“
„Ja, sie hat alles mit angesehen. Seitdem war ihr Dad für uns beide der große Held.“ Kents Stimme war voller Emotionen.
„Ich bin sicher, dass er sich wieder erholt“, sagte sie leise.
Zoe wusste, dass Kent jetzt losfahren musste. Die letzten Stunden mit ihm waren viel zu schön
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