Julia Extra Band 0354
zögerte jedoch, sie auch abzuschicken. Kents Schweigen war zum Verzweifeln, doch die verfasste Nachricht offenbarte so sehr ihre Gefühle, was vielleicht zu riskant war.
Todunglücklich las sie sie noch einmal.
23.53: Kent, ich vermisse Dich schrecklich. Die Idee, Abstand zu halten, funktioniert nicht mehr. Sobald ich zurück bin, müssen wir reden.
Ich liebe Dich,
Zoe
Die letzte Zeile hatte sie mehrfach gelöscht und dann diese drei Worte erneut geschrieben – Ich liebe Dich .
Sie wusste, dass er das nicht hören wollte, und wie kam sie dazu, ein so voreiliges Geständnis zu machen? Seit ihrer Abreise hatte er ihr keinen Grund zur Hoffnung gegeben.
Kurz nach Mitternacht befand sie schließlich, dass sie lange genug vorsichtig gewesen war. Sie musste mutiger werden.
Sie holte tief Luft und drückte schließlich auf Senden. Dann kroch sie unter die Decke und versuchte zu schlafen. Ihr Herz klopfte wie verrückt.
Am nächsten Morgen war immer noch keine Antwort von Kent da, und Zoe fühlte sich so einsam wie nie zuvor in ihrem Leben.
Sie stand am Fenster und schaute auf die Postkartenidylle von Prag. Es hatte wieder geschneit, und alle Gebäude waren wie mit einer weißen Glasur überzogen. Es kümmerte sie nicht. Sie wollte nicht mehr hier sein. Weihnachten stand vor der Tür, und sie war allein mit einem gebrochenen Herzen auf der falschen Seite der Erde.
Wie dumm sie doch gewesen war. Hatte sie wirklich geglaubt, ganz allein an dieser Reise Freude zu haben?
Aber selbst wenn sie bereit wäre, den Aufpreis für einen früheren Rückflug zu bezahlen, wollte sie nicht nach Australien zurück, ohne zu wissen, dass Kent sie mit offenen Armen empfangen würde. Dann blieb sie lieber hier und machte das Beste daraus.
Sie musste sich diesen Mann aus dem Kopf schlagen.
Heute Vormittag würde sie auf einen der vielen Märkte gehen und Weihnachtsschmuck und Geschenke kaufen. Sie würde versuchen, jeden Augenblick und alles, was diese herrliche Stadt zu bieten hatte, zu genießen.
Doch als sie zwischen den Ständen umherlief, umfasste sie das Handy in ihrer Manteltasche und wartete auf das erlösende Vibrieren eines Anrufs.
Am Nachmittag schloss sie sich einer Führung zum Schloss und zur Kathedrale an. Es waren wunderschöne Gebäude mit einer faszinierenden Geschichte. Sie überquerten elegante Brücken über die Moldau, die eine malerische Sicht auf die Stadt boten. Zoe sog die Atmosphäre in sich auf und sagte sich immer wieder, wie glücklich sie sich schätzen konnte, all das hier zu erleben.
Ihr Handy blieb stumm.
Als die Tour zu Ende war und es bereits dunkel wurde, wollte sie noch nicht ins Hotel zurück. Sie schlenderte durch die Straßen, wo Musik gespielt wurde und die Weihnachtsbeleuchtung die Menschen froh stimmte.
Alle zehn Minuten zog sie verzweifelt ihr Telefon hervor, um zu sehen, ob sie vielleicht einen Anruf verpasst hatte.
Das Display blieb leer.
Zoes Beine waren schwer wie Blei und schmerzten vom vielen Laufen in der Kälte. Ein Gefühl von Leere und Selbstzweifel drückte ihr auf den Magen. Die letzte Nachricht an Kent war sicher zu direkt gewesen. Er wusste bestimmt nicht, wie er reagieren sollte.
Oder vielleicht noch schlimmer …
Er hatte einen Unfall gehabt und war im Krankenhaus.
Hör auf.
Sie würde verrückt werden, wenn sie so weitermachte. Stattdessen sollte sie lieber etwas essen. Es gab genug Köstlichkeiten hier auf dem Markt.
Sie steckte das Handy zurück in die Tasche und nahm sich vor, es erst einmal zu vergessen.
In diesem Moment spürte sie durch den Stoff ihrer Handschuhe ein leichtes Vibrieren.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als es schließlich klingelte.
Kent Rigby.
Zitternd hielt sie das Handy ans Ohr.
„Zoe …“
In diesem Augenblick fing eine Blaskapelle an zu spielen, und Kents Stimme verlor sich in den weihnachtlichen Klängen.
„Entschuldige!“, schrie Zoe, während sie mit dem Telefon ans Ohr gepresst über das Kopfsteinpflaster lief. „Ich kann dich nicht verstehen. Die Musik ist so laut. Warte.“
Sie bog um eine Ecke und landete in einer kleinen Seitenstraße. „Jetzt ist es besser. Bist du noch da, Kent?“
„Ja, das bin ich“, sagte er lächelnd.
„Geht es dir gut? Ich habe Ewigkeiten nichts von dir gehört.“
„Mir geht es gut. Und dir, Zoe?“
„Mir auch. Alles ist herrlich hier. Aber es tut gut, deine Stimme zu hören.“
„Hast du Heimweh?“
„Ein bisschen, ja.“ Nervös biss sie sich auf die Lippe. „Hast du
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