Julia Extra Band 0354
letzter Zeit hatte Zoe sich sogar gefragt, ob ihr Urteilsvermögen, was Männer anbelangte, getrübt war. Vielleicht wäre es besser, erst nach ihrer Reise mit Kent zu sprechen. Es würde ihr mehr Zeit zum Nachdenken geben.
Sie teilte die Blumen in viele kleine Sträuße auf und verteilte sie an ihre überraschten Kolleginnen. „Es ergibt keinen Sinn, sie mitzunehmen, so kurz vor meiner Reise. Ihr habt mehr davon.“ Für sich selbst nahm sie lediglich eine lavendelfarbene Orchidee mit nach Hause und stellte sie in eine Vase neben das Aquarium.
Ihr war klar, dass sie Kent anrufen musste, um sich zu bedanken. Dabei musste sie jedoch den richtigen Ton treffen und durfte nicht zu viel sagen. So kurz vor ihrer Abreise sollte er auf keinen Fall erfahren, wie sehr sie ihn vermisst hatte.
Das schrille Klingeln des Telefons ließ Kents Adrenalin in die Höhe schießen. Er zwang sich, ruhig zu bleiben. Die Blumen mussten inzwischen angekommen sein. Während er den Hörer ergriff, stellte er sich vor, wie Zoe mit angezogenen Beinen auf ihrem Sofa saß, die Augen so blau wie der Morgenhimmel … „Hallo.“
„Hi, Kent. Ich bin’s, Zoe.“
Euphorie und gleichzeitig Angst erfassten ihn. Es tat so gut, ihre Stimme zu hören, und er konnte kaum glauben, wie sehr er Zoe vermisst hatte. Ihr Lächeln, ihre Stimme, das Zusammensein mit ihr.
Gleichzeitig war er besorgt, dass sie zu viel in seine Geste hineininterpretierte.
Er wollte sie einfach nur wiedersehen. Seit ihrer ersten Begegnung war er sich der fatalen Wirkung bewusst, die Zoe in ihm auslöste. Er hatte alles darangesetzt, seine Gefühle zu ignorieren, aber es verfolgte ihn wie ein ständiger Schmerz.
Er hatte diesem Schmerz schließlich nachgegeben, hatte Blumen geschickt und um ein Gespräch gebeten. „Hey, Zoe. Schön, dass du anrufst. Wie geht es dir?“
„Mir geht’s gut, danke.“
Die Nervosität in ihrer Stimme war jedoch nicht zu überhören, genauso wenig wie bei ihm selbst.
„Deine Blumen sind angekommen. Vielen Dank, Kent. Sie sind wunderschön. Es war ein riesiger Strauß.“
„Nicht zu groß hoffentlich. Ich habe sie telefonisch bestellt und lediglich eine Summe genannt. Jedenfalls freue ich mich, dass sie dir gefallen.“
„Alle im Büro waren neidisch.“ Nach einer kurzen Pause fragte sie: „Wie … wie geht es dir?“
„Ausgezeichnet.“ Er schluckte gegen einen plötzlichen Kloß im Hals an. „Aber ich habe dich vermisst, Zoe.“
„Oh.“
Oh? Was hatte das zu bedeuten? War es Freude oder Enttäuschung? „Ich habe mich gefragt, ob du inzwischen genügend Abstand hast.“
„Es war nicht einfach“, erwiderte sie leise, fügte jedoch direkt hinzu: „Aber ich glaube immer noch, dass es eine vernünftige Idee ist. Meinst du nicht auch?“
„Ich bin mir nicht sicher, ob es möglich ist, eine Beziehung durch Alleinsein zu klären. Ich hatte gehofft, dass wir miteinander reden könnten.“
Sie stieß einen Seufzer aus, was ihn entmutigte. „Ich fliege am Samstag nach Europa, Kent.“
„Schon? Weihnachten ist doch erst in einem Monat.“
„Ich verbringe jeweils zehn Tage in London und Paris, bevor ich nach Prag weiterfliege.“
Kent fluchte innerlich. Er wollte nicht so lange warten müssen, das hatte er schon genug getan. Das einsame Nachsinnen hatte ihn nicht weitergebracht.
Er musste Zoe berühren können, brauchte ihre körperliche Nähe und die Gespräche mit ihr, sehnte sich danach, sie zu lieben.
In einem Monat konnte viel passieren. Während der Reise würde sie sicher vielen Männern begegnen. Hatte sie ihn etwa schon abgeschrieben? Sie musste ihm noch eine Chance geben. „Ich komme nach Brisbane.“ Er sah auf die Uhr. Es war zu spät. „Wie wäre es morgen Abend?“
„Entschuldige, Kent, aber meine Eltern kommen morgen, um meine Goldfische und Pflanzen zu holen.“
„Was ist mit Freitagabend?“
Sie zögerte. „Lieber nicht. Ich fliege sehr früh am Samstagmorgen. Lass uns warten, bis ich zurückkomme.“
„Nein, Zoe. Ich muss dich sehen. Dann komme ich zum Flughafen. Welche Flugnummer hast du?“
„Du musst mich nicht verabschieden, Kent.“
Er spürte ein Zittern in ihrer Stimme, was auf einen inneren Kampf hinwies. Und in dem Moment wusste er, dass er Zoe nicht auf die andere Seite des Globus fliegen lassen konnte, ohne sie noch einmal zu sehen.
„Sag mir einfach die Flugnummer, dann komme ich.“
„Okay, aber nur unter einer Bedingung.“
„Und die wäre?“
„Versprich, dass du nicht
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