Julia Extra Band 0354
ließ sie seine Schultern los und griff nach seiner Hand, um ihn davon abzuhalten, den Reißverschluss noch weiter aufzuziehen. „Es tut mir leid“, sagte sie mit zitternder Stimme, als sie seinem fragenden Blick begegnete. „Aber es … geht einfach nicht.“ Verzweifelt kämpfte sie gegen die Tränen an. Sie fühlte sich todunglücklich. Wütend. Frustriert. Sie wollte ihn immer noch so sehr, dass es wehtat. Doch sie konnte nicht.
Wenn Blaise sie berührte, hatte sie keinen eigenen Willen mehr. Er raubte ihr die Fassade der Selbstsicherheit und entblößte gnadenlos die deprimierende Tatsache, dass sie eine zutiefst einsame, verunsicherte Frau war, die sich selbst nicht annehmen konnte.
Ohne ein weiteres Wort drehte Ella ihm den Rücken zu und lief zurück ins Haus. Sie hasste sich dafür, dass sie so ein Feigling war, und wusste gleichzeitig, dass sie nie den Mut aufbringen würde, etwas anderes zu sein.
8. KAPITEL
„Der Artdirector will die blauen Boots.“
Ella biss die Zähne zusammen und nahm dem Fotoassistenten die beigefarbenen Stiefel ab, die sie für das blaue Kleid ausgewählt hatte. So ging es schon den ganzen Tag. Erst fragte man sie nach ihrer Meinung zu Accessoires, Make-up und Frisuren, und dann schickte man den Gürtel, das Model selbst oder – so wie jetzt – die Stiefel zurück, um alles wieder zu ändern.
Sie griff hinter sich in die große Tasche voller Schuhe und zog ein Paar himmelblaue Wildlederstiefeletten heraus, die sie dem Assistenten reichte. „Hier, ich bin sicher, die werden auf den Fotos besser rüberkommen.“
Widerwillig gestand sie sich ein, dass sie für den Zweck tatsächlich geeigneter waren. Das Paar, für das sie sich entschieden hatte, wäre auf dem Laufsteg ideal gewesen, aber es hätte sich einfach nicht stark genug vom weißen Sand abgehoben. Sie war nur wegen Blaise so empfindlich. Noch immer spürte Ella seine Lippen auf ihrer Haut, während der erbärmliche Feigling in ihr leise über seinen Sieg lachte.
Sie trat aus dem großen Zelt heraus, das die Crew auf dem Strand aufgebaut hatte, und ging zum Set, um bei den Aufnahmen zuzuschauen. Zum Glück hatte Blaise sich bisher noch nicht bei dem Shooting blicken lassen.
Das beinah schwindsüchtig dünne Model mit dem weißblonden Haar und den dramatisch geschminkten Augen sah aus wie eine traurige, zerbrochene Puppe, was perfekt dem angestrebten Look entsprach.
Ein prickelnder Schauer durchrieselte Ella und vertrieb vorübergehend ihre düstere Stimmung. Carolina war ein international gefragtes Topmodel. Sie in ihren eigenen Kreationen zu sehen bedeutete, dass ihr Traum endlich konkrete Formen annahm.
„Sie macht sich gut, findest du nicht?“, ertönte Blaises Stimme dicht hinter ihr.
„Ja, das tut sie“, bestätigte Ella, ohne sich umzudrehen. Denn wenn sie es täte, würden ihr auf der Stelle die Beine den Dienst versagen.
„Und wie läuft es so?“
„Wir sind für heute fast fertig. Morgen wird Caro dann unter einem Wasserfall posieren.“
„Und du bist sicher, dass ihr die richtige Zielgruppe ansprecht? Look wird nämlich vorwiegend von Frauen gekauft.“
Nun wirbelte Ella zu ihm herum. „Ich habe nichts von prallen Brüsten unter nassen T-Shirts gesagt“, warf sie ihm empört an den Kopf. „Hier geht es um Haute Couture!“
„ Pardon, Madame . Ich bitte vielmals um Verzeihung.“ Er deutete eine Verbeugung an, während Ella ihn im Stillen mit tausend Verwünschungen bedachte. In ihrem Bauch tanzte eine ganze Horde von Schmetterlingen, und jetzt hatte er sie auch noch dazu gebracht, sich wie eine bigotte Schulmeisterin anzuhören.
Als Ella zum Zelt zurückging, folgte Blaise ihr auf dem Fuß.
„Hast du nichts mehr zu erledigen?“, erkundigte sie sich entnervt.
Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, heute bin ich mit der Arbeit durch.“
„Und was für Geschäfte waren das?“ Ella verstand selbst nicht, was sie zu dieser Frage getrieben hatte. Sie wollte ihn doch so schnell wie möglich wieder loswerden. Wieso verwickelte sie ihn dann in ein Gespräch?
„Es ging um neue Brunnen und die Anschaffung weiterer Fahrzeuge für die medizinische Notversorgung.“
Ella konnte ihn sekundenlang nur stumm anstarren. „Du hast dir da ziemlich viel Verantwortung aufgeladen“, stellte sie schließlich fest.
Seine Augen schienen sich förmlich in ihre zu brennen. „Ich glaube, das hast du auch.“
„Eigentlich nicht.“ Sie zuckte die Schultern und versuchte vergeblich, das
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