Julia Extra Band 0354
verabschieden. Ich fliege morgen nach Hause.“
Auch zwölf Jahre nach diesem Abschied war sie noch wie benommen, wenn sie sich daran erinnerte. Nur wenige Wochen zuvor hatte Kaden sie unter dem von Sternen erleuchteten Firmament im Arm gehalten und ihr ewige Liebe geschworen, und dann …
Ihr wurde übel. Julia stützte sich an die Wand und atmete einige Male tief durch. Es war lange her, seit sie zuletzt an diesen schrecklichen Abend gedacht hatte. Aber nun wollte die Erinnerung einfach nicht verschwinden.
„Was ist eigentlich plötzlich in dich gefahren?“, hatte sie verzweifelt gerufen.
Er verschränkte die Arme und zog eine Augenbraue hoch. „Wie meinst du das?“
„Du behandelst mich wie eine Fremde.“
„Nach einem sechsmonatigen Sommerflirt kann man sich ja auch noch nicht besonders gut kennen“, erklärte er kühl.
Julia wich erschrocken zurück, als hätte er sie geschlagen. „Für mich war das kein Flirt. Ich dachte, was wir hatten, war …“
Mit einer energischen Geste brachte er sie zum Schweigen. „Es war nur ein Flirt, Julia. Wie du neulich mit dem anderen Mann auch nur geflirtet hast. Du bist weltfremd, wenn du geglaubt hast, dass wir je eine feste Beziehung führen könnten.“ Er lächelte geringschätzig.
Insgeheim hatte sie sich aber genau das erhofft: eine feste Beziehung. Kaden hatte ja sogar davon gesprochen, dass sie in seinem Londoner Penthouse wohnen sollte. Offenbar hatte sie ihn falsch verstanden. Ihm war es wohl nur darum gegangen, dass er sich bei seinen Aufenthalten in London mit ihr vergnügen konnte.
Für Julia brach eine Welt zusammen, als sie erkennen musste, dass er nur mit ihr gespielt hatte. Die kleine Studentin aus England war perfekt gewesen für einen Sommerflirt. Doch jetzt war er der Emir von Burquat und hatte keine Verwendung mehr für sie. Nichts erinnerte mehr an den sorglosen jungen Mann, den sie zu kennen geglaubt hatte.
Mit bebender Stimme hielt sie ihm vor: „Deine Liebesschwüre hättest du dir sparen können. Ich habe sie sowieso nicht geglaubt.“ Sie wusste, dass sie diesen Mann liebte. Und auch wenn sie zu Beginn nicht geglaubt hatte, dass er ihre Liebe erwidern würde, hatte er es doch getan. Jedenfalls hatte er das behauptet.
Kaden betrachtete den Ärmel seines Gewands. Als er wieder aufsah, war sein Blick starr und undurchdringlich. „Ich habe nur gesagt, was du mir auch ins Ohr geflüstert hast. Mit deiner Liebe kann es ja auch nicht weit her gewesen sein, sonst hättest du dich wohl kaum dem Nächstbesten an den Hals geworfen.“
Julia zuckte zurück. So eine Gemeinheit! „Ich habe dir bereits versichert, dass da nichts war.“
In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sie diesen Mann überhaupt nicht kannte. Wieder kam sie sich wertlos vor, wie seit dem Tag, als sie herausgefunden hatte, dass ihre leibliche Mutter sie nicht hatte haben wollen und zur Adoption freigegeben hatte. Sie war einfach niemandem gut genug …
Hier brach die Erinnerung ab. Julia wusste nicht mehr, wie sie aus dem Palast gekommen war, wie sie die Nacht verbracht hatte oder wie sie zum Flughafen gekommen war. Sie wusste nur, dass sie am nächsten Tag im grauen regnerischen London gelandet war. Die erneute Zurückweisung setzte ihr lange zu. Julia konzentrierte sich voll und ganz auf ihre akademische Laufbahn. Männern hingegen begegnete sie mit tiefem Misstrauen.
Nur John, ihr späterer Ehemann, schaffte es mit Beharrlichkeit und seiner sanften unkomplizierten Art, den Schutzwall zu durchbrechen. Inzwischen hatte Julia erkannt, dass sie sich auf ihn eingelassen hatte, weil er das genaue Gegenteil von Kaden war.
Bei dem Gedanken an die vergangene Nacht und daran, wie Kaden kühl bestimmt hatte, Julia später abzuholen – als wäre sie seine Geliebte –, stieg erneut Übelkeit in ihr auf. Dieses Mal konnte sie die Krämpfe in ihrem Inneren nicht zurückdrängen.
Als der Anfall vorbei war, warf Julia einen Blick in den Spiegel. Sie war kreidebleich. Welches grausame Schicksal hatte sie und Kaden wieder zusammengeführt? Erschöpft setzte sie sich auf den geschlossenen Toilettensitz und schwor sich, Kadens arroganten Plan zu durchkreuzen. Sie hatte nämlich keine Ahnung, wie sie es überleben sollte, wenn er ihr ein zweites Mal eröffnen würde, zwischen ihnen wäre es aus und ihre Liaison habe nie etwas bedeutet.
5. KAPITEL
Kaden saß in seiner vor Julias bescheidenem Stadthaus geparkten Limousine, die sich in diesem grünen Wohngebiet wie ein
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