Julia Extra Band 159
immer offenließ, und dazu ihr schwarzes, fast hüftlanges Haar, das den Rücken herabfiel. Längliche Silberohrringe, die gegen Maggis Hals schwangen, waren der einzige Schmuck, den sie trug. Die schmalen Handgelenke und Finger waren ungeschmückt. Maggi streckte sich, um Mark einen Kuß auf die Wange zu geben. „Es ist Zeit!" Sie lächelte ihn an.
Die Halle war viel größer als der Club, in dem sie vergangene Nacht gespielt hatte, und trotzdem war der Saal gefüllt. Sobald sie die Bühne betrat, brach begeisterter Applaus los. Augenblicklich verflog Maggis Nervosität, und sie lächelte selbstbewußt der Menge zu. Dann begann sie mit dem ersten Stück.
Sie bemühte sich zunächst vergeblich, nicht nach dem allzu bekannten und gleichzeitig gefürchteten Gesicht in der Menschenmenge zu suchen. Aber das Publikum war so herzlich, daß sie es aufgab, nach Adam Ausschau zu halten.
Der Auftritt dauerte lange; insgesamt eine gute Stunde, und es war wie in alten Zeiten. Maggi hatte ebenso viel Spaß wie das Publikum.
Und dann passierte die Katastrophe!
Eigentlich war es nichts so Außergewöhnliches. Eine Saite ihrer Lieblingsgitarre, auf der sie spielte, riß. Die Ersatzgitarre lag hinter der Bühne.
Maggi warf Mark einen Blick in die Kulisse zu. Durch Nicken gab er ihr zu verstehen, daß er begriffen hatte, was zu tun war. Sofort ging er los, um die zweite Gitarre aus der Garderobe zu holen. Maggi legte das nutzlose Instrument auf die Ablage hinter ihr. Jetzt mußte sie den nächsten Song ohne Begleitung singen.
Unter den Zuschauern breitete sich eine Welle von Sympathie aus, und sie machten Maggi durch einen Extraapplaus Mut, bevor sie wieder zu singen begann. Ihre Stimme war klar, und die Präzision der Töne erfüllte jeden Winkel des Raumes. Die andächtige Stille wurde durch verwundertes Raunen gestört, als Maggi auch schon bemerkte, daß sie nicht mehr unbegleitet sang.
Hastig drehte sie sich nach links und fand ihre schlimmste Vermutung bestätigt. Adam war von hinten auf die Bühne gekommen. Er spielte auf seiner eigenen Gitarre.
Maggi hatte ihn lange nicht mehr gesehen, und sie bemerkte, daß er sich verändert hatte. Das dunkle Haar war länger als früher. Es war wie damals auch sehr voll, aber jetzt waren ein paar graue Stellen darin sichtbar. Unter seinen dunkelgrauen Augen zeichneten sich deutlich Linien ab, die neben den grimmig wirkenden Mundwinkeln endeten.
Adam trug fast die gleiche Kleidung wie Maggi. Dunkle Jeans, ein schwarzes Seidenhemd, dessen oberster Knopf offen war und die Härchen auf seiner Brust deutlich sichtbar werden ließ. Genauso war er damals auch immer gekleidet, wenn sie gemeinsam sangen.
Herausfordernd blickte er Maggi an, als ihre Stimme versagte. Sie wußte genau, weshalb er so grimmig blickte: the show must go on war immer einer seiner wichtigsten Leitsätze. Ganz egal, was passierte - man mußte weitermachen. Und wie Maggi wußte, auf ihre Kosten ...
Adam hörte nicht auf, Gitarre zu spielen. Erwartungsvoll ruhte sein Blick auf ihr. Sie sollte den Gesang wiederaufnehmen und dem Publikum das geben, wofür es hergekommen war.
Aber er hatte sich getäuscht. Die Zuhörer waren überhaupt nicht mehr an dem Stück interessiert. Ungläubiges Flüstern erfüllte die Halle. Niemand konnte glauben, daß wirklich Adam Carmichael dort neben Maggi Fennell auf der Bühne stand.
Maggi konnte es selber kaum glauben! Sie wußte, daß er sich unter den Zuhörern befunden hatte - aber daß er die Nerven und die Dreistigkeit besaß, sie auf der Bühne zu begleiten, hatte sie nicht erwartet.
Was für eine Unverschämtheit! Sie dachte an Marks Worte: Sei wütend, nicht traurig . - Und wütend war sie! Wie konnte er es wagen?
„Sing schon, verdammt noch mal!" fuhr er sie an, wobei er seinen unverfänglichen Gesichtsausdruck behielt, damit die Zuschauer, die mittlerweile voller Neugierde dieses Intermezzo verfolgten, nichts von der Unstimmigkeit bemerkten.
The show must go on . Singen - sie sollte einfach so ...? Maggi war sich nicht sicher, ob überhaupt ein Ton über ihre Lippen kommen würde, geschweige denn ein richtiger Ton. Es mußte eine Ewigkeit her gewesen sein, als sie das letzte Mal zusammen auf der Bühne gestanden hatten.
„Sing schon!" raunte er wieder und begann von neuem die einleitenden Takte des Stückes.
Maggi bemerkte jetzt Mark, der mit einer Ersatzgitarre in der Seitengasse der Bühne stand. Er stand wie angewurzelt, wußte aber ebenso wie Maggi, daß an der
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