Julia Extra Band 159
schluckte schwer, bevor sie die Nachttischlampe ausmachte. Es ist noch schlimmer als vorhin in der Bar, dachte sie traurig. Mit jeder Faser ihres Körpers sehnte sie sich nach diesem Mann. Sie spürte das gleiche heiße Verlangen wie damals, als sie ihn das erste Mal gesehen hatte.
Beth drückte das Gesicht in die Kissen: Die schmerzhaften Erinnerungen wurden übermächtig. Niemals hatte sie sich ganz davon erholt, wie schon die Tatsache zeigte, daß sie keine Beziehung zu einem anderen Mann eingegangen war. Es war immer das gleiche: Die Männer konnten noch so intelligent, ernsthaft und gutaussehend sein, wenn sie versuchten, Beth zu verführen, zog diese sich zurück und beendete die Beziehung. Als wollte sie alle Männer für die Sünden, die Jaime Caballeros begangen hatte, bestrafen.
3
Sanft fiel helles Sonnenlicht durch die hohen Fenster und um spielte Beth' Gesicht, so daß sie aufwachte. Sie lag noch einige Augenblicke regungslos unter der warmen Decke und schaute von einem Möbelstück zum anderen, während ihr Geist langsam die Fahrt vom Schlaf zum Wachzustand zurücklegte. Als diese Reise jedoch beendet war, bekam sie einen gehörigen Schrecken. Am liebsten hätte sie sich gleich wieder in den Schutz der Nacht zurückgezogen.
Sie machte sich Vorwürfe, so gefühlvoll zu reagieren, und sprang aus dem Bett, um barfuß ins Badezimmer zu gehen. Am Vortag hatte sie eine ganze Reihe von fürchterlichen Schocks erlitten, da war es kein Wunder, daß sie sich am Abend so theatralischen Gedanken hingegeben hatte. Das aber liegt jetzt hinter mir, sagte sie sich entschieden und stellte die Dusche an. Auch war es ganz überflüssig, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, mit welchen Worten sie Jaime die Wahrheit über seinen Sohn ankündigen wollte. Wenn die Situation da war, würde es ihr schon einfallen. Sie ließ das heiße Wasser über den Körper rauschen und entspannte sich ein wenig.
Dann ging sie ins Schlafzimmer und setzte sich vor den Spiegel, um sich zu frisieren. Die Sorgen und die unruhige Nacht hatten Spuren hinterlassen. Beth fühlte sich vollkommen übermüdet, und so sah sie auch aus. Bleich im Gesicht, dunkle Ringe unter den Augen. Doch jetzt kam es nicht auf solche Äußerlichkeiten an.
Sie kämmte das Haar und ließ es offen auf die Schultern fallen. Dann zog sie ein helles Kleid aus Baumwolle an, von dem sie wußte, daß Jaime es besonders gern mochte. Beth fühlte sich gar nicht wohl in ihrer Haut, als sie das Zimmer verließ und die Treppe nach unten ging. Das Haus war sehr groß, und sie hatte nicht die geringste Vorstellung, wo sie sich eigentlich befand. Und dann würde sie wohl auch auf Jaimes Vater stoßen, obwohl dieser zumeist in Barcelona lebte ... Jaceys Großvater. Erleichtert lächelte sie, als sie auf eine Hausangestellte traf, die ihr den Weg zum Speisezimmer zeigte.
„Beth", sagt Jaime leise, als sie den Raum betrat. Mit formvollendeter Höflichkeit stand er auf und umkurvte den langen Holztisch. Dabei bewegte er sich mit einer Geschmeidigkeit, die Beth früher schon an ihm bewundert hatte. „Hast du gut geschlafen?"
„Ja, danke." Trotz allem, was sie sich vorgenommen hatte, unterlag sie wieder dem Eindruck, daß das nichts mit der Realität zu tun hatte. Sie schaute sich um, doch kam ihr alles hier unwirklich vor. Der Raum war langgestreckt und wurde von dem dunklen Holztisch beherrscht, auf dem silbernes Besteck und wertvolles Porzellan gedeckt waren. Was sie hier erblickte, gab ihr einen Eindruck davon, in welcher Welt der Vater ihres Sohnes lebte. Und das hatte nichts mit den bescheidenen Verhältnissen zu tun, aus denen sie stammte.
„Am liebsten würde ich gleich ins Krankenhaus fahren, wenn du nichts dagegen hast."
„Natürlich nicht", sagte er immer noch stehend. „Aber zuerst solltest du frühstücken", fügte er hinzu und zeigte auf den Platz zu seiner Linken.
Beth ging den Tisch entlang und setzte sich.
„Ich nehme nur einen Kaffee, danke."
„Vielleicht möchtest du ein Ei oder ..."
„Nein, es ist schon in Ordnung."
„Bist du wirklich sicher?" Jaime musterte sie aufmerksam, während er Kaffee einschenkte. „Ich erinnere mich daran, daß dir das spanische Frühstuck mit den süßen Keksen immer merkwürdig vorgekommen ist."
Beth tat so, als habe sie nicht gehört, was er gesagt hatte. Die Situation war schon schwierig genug, da wollte sie nicht an die Vergangenheit erinnert werden.
„Ich habe dafür gesorgt, daß dir ein Auto zur Verfügung
Weitere Kostenlose Bücher