Julia Extra Band 348
dass jemand gleich bei der ersten Begegnung seine weniger erfreulichen Seiten zur Sprache bringt“, konterte sie schließlich herablassend.
Seine eisblauen Augen glitzerten spöttisch. „Heißt das, Sie betrachten es als gesetzt, dass es zu einer zweiten Begegnung kommt?“, fragte er leise. „Wäre das nicht ein wenig voreilig? Oder entspricht es den Erfahrungen, die Sie mit Männern gemacht haben?“
Zara hatte so wenig davon gesammelt, dass sie am liebsten laut gelacht hätte. Und schon gar nicht mit Männern, die wie er in einem Paralleluniversum lebten. „Eigentlich betrachte ich nie etwas als gesetzt“, entgegnete sie. „Und vor allem versuche ich, Klischees zu vermeiden.“
Nikolai kniff die Augen zusammen, als er einen Unterton in ihrer Stimme mitschwingen hörte, den er nicht gleich einordnen konnte. Das war doch nicht etwa … Tadel? Seine Neugier wuchs. „Wissen Sie, irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass Ihnen irgendetwas missfällt“, stellte er, sanfter jetzt, fest.
Plötzlich spürte Zara eine große Gefahr. Instinktiv wollte sie weitergehen, aber irgendetwas zwang sie stehen zu bleiben. Während sie in die kalt glitzernden Augen starrte, geriet ihr Herzschlag ins Stocken. „Und was sollte das sein?“
„Ich, milaya moya. Ich.“
„Wie das? Wir kennen uns doch gar nicht!“
„Richtig. Aber das lässt sich leicht ändern.“ Er lächelte flüchtig, während er genau beobachtete, ob sein Name bei ihr irgendein Anzeichen von Wiedererkennung hervorrief, als er mit einer angedeuteten Verbeugung fortfuhr: „Ich heiße übrigens Nikolai Komarov.“
Zara spürte, wie sich ihr der Hals zuschnürte, weil sie wusste, dass es jetzt eigentlich an der Zeit war, ihren Spruch aufzusagen und ihm Emmas Visitenkarte zu geben. Deshalb war sie schließlich hier. Aber diese undurchdringlichen Augen musterten sie so eingehend, dass sie kein Wort herausbrachte. Sie konnte es einfach nicht. Vielleicht, weil sie sich plötzlich wünschte, tatsächlich die Frau zu sein, die zu sein sie vorgab und die es auskostete, mit ihm zu flirten? „Dann sind Sie also … Russe“, sagte sie langsam.
„Sehr scharfsinnig.“ Aber Nikolai empfand eine seltsame Enttäuschung und presste die Lippen zusammen. Es war also doch kein zufälliger Blickkontakt quer durch den Saal gewesen. Sie hatte es darauf angelegt ihn kennenzulernen, weil sie gewusst hatte, wer er war, darauf würde er jede Wette eingehen. Ihre Augen hatten sie verraten. Aber warum wunderte er sich eigentlich? Diese Spielchen spielten Frauen doch ständig, oder? Sie logen und betrogen, was das Zeug hielt. Und am Ende glaubten sie ihre Lügen manchmal sogar selbst. „Kennen Sie viele Russen?“
„Nein. Gar keine.“
„Bis auf mich.“
„Natürlich, bis auf Sie“, stimmte sie mit einem leicht nervösen Lächeln zu. Wie würde er reagieren, wenn herauskam, wer sie war … eine Blenderin, die sich nur durch einen Trick Zutritt zu dieser feinen Gesellschaft verschafft hatte? Sie musterte ihn forschend, aber sein undurchdringlicher Gesichtsausdruck erlaubte keinerlei Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit.
„Und wer sind Sie?“, fragte er.
Die Blicke aus seinen eisigen Augen zerrten an ihrem Nervenkostüm, sodass Zara ihm schon fast einen falschen Namen nennen wollte. Aber warum sollte sie? Nach heute Abend würde sie diesen Mann sowieso nie wiedersehen.
„Ich heiße … Zara“, sagte sie zögernd. „Zara Evans.“
„Ein wunderschöner Name“, gab er leise zurück, wobei er registrierte, wie ihre Lippen bebten. „Ein wunderschöner Name für eine wunderschöne Frau.“
Zara spürte, wie ihre Wangen glühten. Es war eine gefühlte Ewigkeit her, seit sie zum letzten Mal ein Kompliment bekommen hatte, und noch nie hatte jemand sie als schön, geschweige denn wunderschön bezeichnet. Aber Zara ermahnte sich, wachsam zu bleiben. Er gehörte wahrscheinlich zu der Sorte von Männern, die gewohnheitsmäßig mit Komplimenten um sich warfen. Sie suchte hektisch nach einer schlagfertigen Erwiderung, aber alles, was sie am Ende herausbekam, war ein atemloses „D… danke“. Und dafür hätte sie sich am liebsten selbst einen Tritt verpasst.
„Darf ich Ihnen ein Glas Champagner holen, Zara?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, danke … ich … habe schon eins getrunken.“
„Oh, ich bin mir sicher, Sie dürfen noch ein zweites trinken.“ Er schaute ihr direkt in die Augen. „Aber mehr nicht.“ Er lächelte leicht.
Und irgendwie
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